Blade Runner Ubik Marsianischer Zeitsturz
Aber nicht den Runciter, den er kannte. Es waren Fotos von einem Baby, von einem kleinen Jungen, von einem jungen Mann. Runciter, wie er früher ausgesehen hatte, aber immer noch zu erkennen.
Chip zog seine Brieftasche aus der Jacke und fand darin weitere Schnappschüsse von Runciter, nicht einen von seiner Familie oder seinen Freunden. Runciter war überall! Dann fiel ihm auf, dass die Brieftasche aus echtem Leder, nicht mehr aus Plastik war. Das passte ins Bild: Früher hatte es echtes Leder gegeben. Er fuhr mit den Fingern über das Material und empfand ein neues, sehr angenehmes Tastgefühl; das war tausendmal besser als Plastik, dachte er.
Er streifte wieder durch das Wohnzimmer und suchte nach dem Gerät, das ihm normalerweise automatisch die Post bereitlegte. Auch das gab es nicht mehr. Er versuchte sich zu erinnern, wie es früher mit der Post lief: Vielleicht drauÃen vor der Wohnungstür? Nein. In irgendeiner Art Kasten. Wie hieà das noch? Briefkasten, genau. Sie wird also im Briefkasten
sein â aber wo waren die Briefkästen damals? Neben dem Hauseingang? Ja, so war es wohl. Er würde seine Post im Erdgeschoss finden, zwanzig Stockwerke unter ihm.
»Fünf Cents, bitte«, sagte die Wohnungstür, als er sie öffnen wollte. Das zumindest hatte sich nicht geändert. Die Münztür war hartnäckig, vermutlich wird sie länger als alles andere aushalten, dachte er, selbst wenn sich schon die ganze Stadt â vielleicht sogar die ganze Welt â zurückgebildet hat ⦠Er steckte ein Fünfcentstück in die Tür und eilte zur Rolltreppe, die er gerade vor wenigen Minuten noch benutzt hatte. Aber jetzt war dort eine Treppenflucht aus klotzigem Beton. Zwanzig Stockwerke bis unten, überlegte er. Das war unmöglich, kein Mensch kann so viele Stufen hinabsteigen. Der Aufzug. Er wandte sich um, doch dann fiel ihm ein, was Hammond zugestoÃen war. Womöglich werde ich dasselbe sehen, was er gesehen hat. Einen alten Eisenkäfig an einem Drahtseil und einen trotteligen Fahrstuhlführer mit offizieller Fahrstuhlführermütze auf dem Kopf. Keine Vision von 1939, sondern eine von 1909 â eine viel weitere Regression also, als ich bisher gesehen habe.
Lieber nichts riskieren. Lieber die Treppe benutzen.
Seufzend begann er mit dem Abstieg.
Er hatte gerade die Hälfte des Weges zurückgelegt, als ihn ein unheilvoller Gedanke durchzuckte: Wie sollte er je wieder zurückkommen? Zu seiner Wohnung oder auf das Dach, wo das Taxi stand. Hatte er einmal das Erdgeschoss erreicht, wäre er dazu verdammt, unten zu bleiben, vielleicht für immer. Es sei denn, das UBIK-Spray ist wirkungsvoll genug, den Aufzug oder die Rolltreppe wieder verfügbar zu machen. Dann dachte er an den StraÃenverkehr. Wie wird er aussehen, wenn ich unten angelangt bin? StraÃenbahnen? Planwagen? Zwei Stufen auf einmal nehmend, setzte er seinen Abstieg fort. Jetzt war es ohnehin zu spät für eine andere Entscheidung.
SchlieÃlich kam er im Erdgeschoss an â und fand sich in einer groÃen Empfangshalle wieder, in der ein langer Marmortisch stand, darauf zwei Blumenvasen aus Keramik. Er ging zu der mit Vorhängen versehenen Eingangstür, griff nach dem Türknopf aus geschliffenem Glas und öffnete. Noch mehr Stufen. Und auf der rechten Seite eine Reihe verschlossener Messingbriefkästen, jeder mit einem Namensschild versehen. Er hatte also recht gehabt, hier wurde die Post verteilt. Er fand seinen persönlichen Briefkasten â JO-SEPH CHIP 2075 stand darauf â und auÃerdem einen Knopf, mit dem man es offensichtlich, wenn man ihn drückte, bei ihm in der Wohnung klingeln lassen konnte.
Der Schlüssel. Er hatte keinen Schlüssel. Oder etwa doch? Er suchte in seinen Taschen und fand einen Ring, an dem die unterschiedlichsten Schlüssel hängen. Verwirrt betrachtete er sie, fragte sich, wozu sie wohl gehörten. Das Briefkastenschloss war ziemlich klein, also wählte er den schmalsten Schlüssel aus, steckte ihn hinein und drehte ihn um. Die Messingtür ging auf.
Dahinter befanden sich zwei Briefe und ein quadratisches Päckchen, das mit braunem Papier umwickelt und mit einer braunen Schnur verzurrt worden war. Rosafarbige Dreicent-Briefmarken mit dem Porträt von George Washington klebten darauf. Er hielt kurz inne, um sie zu bewundern, dann begann er â die beiden Briefe lieà er unbeachtet â
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