Blade Runner Ubik Marsianischer Zeitsturz

»Könnte ich kurz Ihr Telefonbuch benutzen?«, fragte er den Mann mittleren Alters, der hinter der Kasse saß und ein breites Grinsen im Gesicht hatte.
    Â»Dort hinten.« Der Verkäufer wies ihm mit dem Daumen die Richtung.
    Chip fand das Telefonbuch in einem düsteren Winkel des kleinen Ladens und suchte darin nach Archer’s Drugstore – konnte aber keinen Eintrag finden.
    Er klappte das Telefonbuch wieder zu und ging zu dem Verkäufer hinüber, der gerade einem kleinen Jungen eine Rolle Necco-Waffeln gab. »Können Sie mir sagen, wo ich Archer’s Drugstore finde?«, fragte er ihn.
    Â»Nirgends«, erwiderte der Verkäufer. »Das heißt, nicht mehr.«
    Â»Weshalb nicht?«

    Â»Er ist schon seit Jahren geschlossen.«
    Â»Sagen Sie mir bitte trotzdem, wo er war. Können Sie es mir aufzeichnen.«
    Â»Das ist nicht nötig.« Der übergewichtige Mann lehnte sich nach vorne und zeigte auf die Straße. »Sehen Sie dort das Friseurschild? Gehen Sie hinüber und schauen Sie dann nach Norden. Da ist Norden.« Er wies ihm die Richtung. »Sie sehen dann ein altes Giebelhaus. Ein gelbes Haus. Es hat noch einige Apartments, die bewohnt sind, aber die Geschäftsräume im Erdgeschoss sind leer. Vielleicht sehen Sie irgendwo noch das Schild: Archer’s Drugs. Dort ist es. Wissen Sie, Ed Archer bekam Krebs und …«
    Â»Danke«, sagte Chip und trat wieder in das blasse Sonnenlicht hinaus. Mit schnellen Schritten ging er zu dem Friseurschild hinüber und blickte von dort aus nach Norden.
    Ganz weit hinten erkannte er das große Gebäude, dessen gelbe Farbe bereits abblätterte. Aber irgendetwas daran kam ihm merkwürdig vor. Eine Vagheit, eine Unbestimmtheit – als wäre das Haus einmal klar und wirklich da und dann wieder nicht. Es war ein Oszillieren, bei dem jede Phase für ein paar Sekunden anhielt, als würde unter der Struktur etwas Organisches pulsieren. Als wäre das Haus lebendig.
    Vielleicht geht es jetzt auch mit mir zu Ende, dachte er und ging auf den verlassenen Drugstore zu. Er beobachtete, wie der Laden pulsierte, wie er zwischen zwei verschiedenen Zuständen hin- und herschwankte, und, als er näher kam, erkannte er die Unterschiede ganz genau: In der einen Richtung, in Richtung größter Stabilität, war es ein homöostatisch betriebenes Haushaltswarengeschäft aus Chips eigener Zeit, ein Selbstbedienungsladen, der zehntausende von Artikeln für die moderne Wohnung verkaufte; sein Leben lang hatte
er sich mit diesen computergesteuerten Pseudo-Verkäufern herumgeärgert.
    Und in der anderen Richtung, hin zu größter Vagheit, war es ein anachronistischer, schnörkelig verzierter Drugstore mit Leistenbruchbändern, dicken Brillengläsern, Mörsern, zahllosen Pillen, einem handgedruckten Schild mit der Aufschrift »Blutegel« und riesigen Glasbehältern im Schaufenster, die das Erbe der Pandora enthielten … und aufgemalt auf einem flachen Holzbrett darüber die Worte ARCHER’S DRUGSTORE. Von einem leeren, aufgegebenen Laden war nichts zu sehen, der 1939er Zustand war sozusagen ausgeklammert. Wenn ich ihn also betrete, dachte Chip, bewege ich mich entweder noch weiter zurück oder ich finde mich in meiner Zeit wieder. Und Ersteres ist, was ich offenbar benötige, die Zeit vor 1939.
    Er stand jetzt vor dem Haus und spürte das Oszillieren beinahe körperlich. Er fühlte, wie er zurückgezogen wurde, dann wieder nach vorne und wieder zurück. Fußgänger kamen vorbei, aber sie nahmen keine Notiz davon. Offensichtlich sahen sie nicht, was er sah, weder Archer’s Drugstore noch das Haushaltswarengeschäft von 1992, und das verwunderte ihn am meisten.
    Als das Gebäude gerade wieder einmal weit in die Vergangenheit schwang, machte er einen Schritt vorwärts. Über die Schwelle. Und betrat Archer’s Drugstore.
    Auf der rechten Seite: eine lange, marmorne Ladentheke. In den Regalen: hunderte kleiner, schmutzig brauner Schubladenfächer. Die ganze Atmosphäre hatte etwas Düsteres, weniger, weil kaum Sonnenlicht hereinfiel, sondern eher durch die Art der Einrichtung, als sollten die Dinge absichtlich mit den Schatten verschmelzen, undurchdringlich sein. Es lag etwas Schweres, Niederdrückendes in der Luft – als würde der Raum eine riesige Last auf den Schultern tragen. Doch das
Oszillieren hatte aufgehört. Zumindest