Blade Runner Ubik Marsianischer Zeitsturz
Werkzeugen nicht aus.«
»Dann sind sie selber dran schuld.« Sie spürte, wie gereizt sie war, und der Gedanke durchfuhr sie, dass sie noch nicht ganz wach sein könnte; sie brauchte ein Dexamin, sonst bekäme sie die Augen nie auf, nicht vor dem Abend, wenn wieder Zeit für ein Luminal war. Sie ging zum Medizinschränkchen im Bad, nahm eine Flasche mit kleinen herzförmigen grünen Pillen herunter, öffnete sie und zählte sie ab. Es waren nur noch dreiundzwanzig übrig; sie würde bald wieder an Bord des groÃen Traktorbusses gehen und die Wüste in Richtung Stadt durchqueren müssen, um sich in der Apotheke neue geben zu lassen.
Ãber ihrem Kopf ertönte lautes, widerhallendes Gurgeln. Der Tank auf dem Dach, ihr riesiger Blechbehälter für den Wasservorrat, begann sich zu füllen. Der Kanalschiffer hatte das Schleusentor jetzt umgeschaltet; die Bitten der Steiners waren vergebens gewesen.
Mit wachsendem Schuldgefühl schenkte sie sich ein Glas Wasser ein, um ihre Morgentablette zu nehmen. Wenn nur Jack öfter zu Hause wäre, sagte sie sich; hier ist es rundherum so leer. Das ist eine Form der Barbarei, diese Kleinlichkeit, zu der wir gezwungen sind. Was soll dieser ganze Hader und Streit, der unser Leben beherrscht, diese schreckliche Sorge um jeden Tropfen Wasser? Das kann doch nicht alles sein ⦠man hatte uns so viel versprochen, anfangs.
In einem nahegelegenen Haus plärrte plötzlich Radiolärm los; Tanzmusik, dann warb ein Sprecher für irgendeine landwirtschaftliche Maschine.
»⦠Tiefe und Winkel der Furche«, erklärte die Stimme und hallte in der kalten, klaren Morgenluft wider, »sind einstellbar und selbstregulierend, sodass noch der ungeschickteste Benutzer fast auf Anhieb â¦Â«
Dann wieder Tanzmusik; die Leute hatten einen anderen Sender eingestellt.
Kindergezänk erhob sich. Geht das jetzt den ganzen Tag so weiter?, fragte sie sich und überlegte, ob sie das wohl ertragen würde. Und Jack war bis zum Wochenende arbeiten â fast schien es ihr, als wäre sie nicht verheiratet, als hätte sie gar keinen Mann. Bin ich dafür von der Erde ausgewandert? Sie presste die Hände gegen die Ohren, wollte den Lärm des Radios und der Kinder ausblenden.
Ich sollte wieder ins Bett gehen; dort gehöre ich hin, dachte sie und zog sich schlieÃlich weiter für den vor ihr liegenden Tag an.
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Im Geschäftsviertel von Bunchewood Park sprach Jack Bohlen vom Büro seines Arbeitgebers aus per Funktelefon mit seinem Vater in New York City. Die Verbindung, durch ein Satellitensystem über Millionen Meilen Weltraum hinweg hergestellt, war nicht sonderlich gut, wie üblich; aber Leo Bohlen bezahlte ja für das Gespräch.
»Was soll das heiÃen, die Franklin D. Roosevelt Mountains?«, sagte Jack laut. »Du musst dich irren, Dad, da gibt es nichts â die Gegend ist eine einzige Einöde. Das wird dir jeder im Maklergewerbe bestätigen.«
Die schwache Stimme seines Vaters erklang. »Nein, Jack, ich glaube, das ist eine todsichere Sache. Ich will hin, es mir ansehen und alles mit dir durchsprechen. Wie gehtâs Silvia und dem Jungen?«
»Gut«, sagte Jack. »Hör zu â mach bloà nichts fest, es ist nämlich allgemein bekannt, dass bis auf den funktionierenden
Teil des Kanalnetzes â und vergiss nicht, dass höchstens ein Zehntel davon funktioniert â jeder Grundbesitz auf dem Mars glatt an Betrug grenzt.« Ihm wollte nicht in den Kopf, wie sein Vater mit seiner jahrelangen Berufserfahrung, gerade was Investitionen in noch nicht kultiviertes Land anging, auf so einen Schwindel hereinfallen konnte. Das erschreckte ihn. Vielleicht war sein Dad in all den Jahren, die er ihn nicht gesehen hatte, alt geworden. Briefe besagten nicht viel; sein Dad diktierte sie einer Firmenstenographin.
Oder vielleicht verging die Zeit auf der Erde ja auch anders als auf dem Mars; in einer Zeitschrift für Psychologie hatte er einmal einen Artikel gelesen, der das nahelegte. Sein Vater würde als weiÃhaariger alter Tattergreis hier ankommen. Gab es einen Weg, sich vor dem Besuch zu drücken? David würde seinen GroÃvater gern wiedersehen, und Silvia mochte ihn ebenfalls. Die schwache, ferne Stimme erzählte Neuigkeiten aus New York City, nichts von Belang. Für Jack hatte das etwas Unwirkliches. Vor einem Jahrzehnt hatte er gewaltige Anstrengungen
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