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Blade Runner Ubik Marsianischer Zeitsturz

Titel: Blade Runner Ubik Marsianischer Zeitsturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Philip K
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sehen, ja gewissermaßen nicht einmal dasselbe Universum.«
    Es sind also eher psychologische, genauer: psycho-pathologische Landschaften und Zustände, die der Autor beschreibt, als futuristische. Und damit Zeitdiagnosen, die mitunter weit präziser, weit schmerzhafter waren als die seiner Kollegen vom realistischen Fach. Alle drei Romane sind erkennbar Produkte der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts. Nicht nur, dass die Helden im entsprechenden Outfit herumlaufen – »Mohairponcho und aprikosenfarbener Filzhut«, heißt es einmal in »Ubik« – und die damaligen Aufregerthemen durchbuchstabiert werden – Konsumwahn, nukleare Paranoia, Existenzialismus -, Dick hatte auch ein feines Gespür für die Veränderungen im Gefüge der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft: Wie sich Politik, Medien und Wirtschaft langsam zu jener undurchdringlichen Masse amalganisierten, in der zwischen Fiktion und Wirklichkeit nicht mehr unterschieden werden kann, ja – wie wir in den vergangenen acht Jahren gesehen haben – nicht unterschieden werden soll . Dick brauchte kein Internet, um bereits vor vierzig Jahren zu erkennen, auf was das alles hinausläuft:
    Â»Künstliche Realitäten erzeugen künstliche Menschen. Oder, andersherum, künstliche Menschen erzeugen künstliche Realitäten, die sie dann den anderen Menschen verkaufen, wodurch sie die anderen nach und nach ebenfalls zu einer künstlichen Ausgabe ihrer selbst ummodeln. Am Ende haben wir dann künstliche Menschen, die künstliche Wirklichkeiten ersinnen, die sie wieder an andere künstliche Menschen verhökern. Es ist nichts anderes als ein riesiges Disneyland.«
    Und so sind alle drei Romane, die Sie gerade gelesen haben, auch ein Stück Pop-Metaphysik. »Die Natur pflegt sich versteckt zu halten«, wusste schon Heraklit am Beginn allen philosophischen
Denkens, und Dick hatte es sich zur Aufgabe gemacht, diesem Versteckspiel ein Ende zu bereiten. Wäre er intellektuell etwas sortierter und fokussierter gewesen, hätte er sein Leben wohl als belletrisierender Philosophie-Professor verbracht, doch sein Genie hatte etwas zutiefst Eklektizistisches – er liebte Heidegger und Nietzsche, Proust und Yeats ebenso wie die Peanuts und Winnie the Pooh, und alle fanden sie Eingang in seine Bücher. Außerdem hatte er einen Heidenspaß am erkenntnistheoretischen special effect : Auf ein kaum wahrnehmbares Zeichen hin verlieren seine Texte immer wieder jegliche Erdung und driften in eine Art Hyperraum, wo sämtliche Faktizitäten des bekannten Universums aufgehoben sind, ohne dass es dafür eine Erklärung gibt. Nicht selten fühlt sich da der Leser wie Jack Bohlen in »Marsianischer Zeitsturz«: »Früher war es ihm möglich gewesen, die Ordnung der Dinge in Raum und Zeit zu gewährleisten; heute hatten sich Raum und Zeit aus für ihn unerfindlichen Gründen verschoben, so dass er sich zu keinem von beiden mehr ins Verhältnis setzen konnte.«
    Unbestritten, dass Dick hier wie in allen seinen Romanen und Erzählungen persönliche Neurosen, ja Psychosen hat mit einfließen lassen, dass sie zu einem großen Teil Projektionen seines, wie Bergson es nennt, »inneren Kinematographen« waren, und wenn Sie diesem Aspekt weiter nachgehen wollen, empfehle ich Lawrence Sutins »Philip K. Dick – Göttliche Überfälle«, nach wie vor die lesbarste und überzeugendste Dick-Biographie. Doch selbst in seinen letzten Lebensjahren, die unter dem massiven Einfluss einer Groß-Epiphanie standen, schrieb der Autor keine psychedelisch-metaphysischen Traktate, wie es Interpreten mehrerer Jahrzehnte behaupteten, sondern thematisierte mit bewundernswerter Ausdauer und in immer neuen Varianten den menschlichen Selbstbehauptungswillen in einer Welt, in der die Grenze zwischen
dem, was wir als wahr, als gegeben erkennen können, und dem, was von wem auch immer manipuliert wird, nicht zu bestimmen ist, ja dass wir diese Grenze selbst munter transzendieren. Ich ist ein Anderer? Aber hallo!
    Bereits der erste Satz von »Blade Runner« gibt das Leitmotiv vor: »Die automatische Weckvorrichtung der Stimmungsorgel neben seinem Bett weckte Rick Deckard mit einem fröhlichen kleinen Stromstoß.« In welcher Stimmung man sich also befindet, kann maschinell erzeugt, kann programmiert werden. Und das ist, wie es in »Ubik« so schön heißt, erst der

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