Blade Runner Ubik Marsianischer Zeitsturz
Busen. Eine richtige Kinderfigur, flach und gar nicht aufregend. Da konnte er sich schon etwas Besseres leisten.
Welches Alter gab der Informationsbogen eigentlich für Luba Luft an? Im Fliegen holte er die inzwischen zerknitterten Notizen hervor und sah unter der Rubrik des sogenannten »Alters« nach. Achtundzwanzig, stand auf dem Bogen. Geschätzt aufgrund ihres Aussehens, denn dies war bei Androiden der einzig mögliche Anhaltspunkt.
Gut, dass ich einiges von Opern verstehe, dachte Rick. Ein weiterer Vorteil gegenüber Dave: Ich habe mehr für Kultur übrig.
Einen Versuch unternehme ich noch, ehe ich Rachael Rosen um ihre Hilfe bitte, beschloss er. Falls sich Miss Luft als zu harter Brocken erweisen sollte ⦠Aber eine Ahnung sagte ihm, dass dies nicht der Fall sein würde. Polokov war der schwierigste Fall. Die anderen ahnten nicht, dass sie so intensiv gejagt wurden. Sie würden fallen wie Fliegen.
Während er auf das ausgedehnte, verzierte Dach des Opernhauses niederging, sang er laut ein Potpourri von Opernarien mit pseudoitalienischen Worten, die er laufend erfand. Selbst ohne Penfield-Stimmungsorgel wandelte sich seine Laune Richtung Optimismus. Er versprühte hungrige, ausgelassene Vorfreude.
9
Aus dem enormen Walfischbauch des alten, dauerhaft aus Stahl und Stein gebauten Opernhauses schlugen Rick Deckard die lauten, hallenden Töne einer nicht sehr melodischen Probe entgegen. Schon beim Eintreten erkannte er Mozarts Zauberflöte , den Schluss des ersten Aktes. Der Chor hatte einen Takt zu früh eingesetzt und so den einfachen Rhythmus der Zauberglöckchen zunichte gemacht. Was für ein Genuss! Er liebte die Zauberflöte . Er lieà sich auf einem Sitz im ersten Rang nieder â niemand schien ihn zu bemerken â und machte es sich bequem.
Papageno in seinem fantastischen Federkleid trat auf und sang mit Pamina die Worte, die Rick jedes Mal Tränen in die Augen trieben, wenn er daran dachte:
Könnte jeder brave Mann
solche Glöckchen finden,
seine Feinde würden dann
ohne Mühe schwinden.
Nun, dachte Rick, im wirklichen Leben gibt es leider keine solchen Glöckchen, die mühelos alle Feinde zum Verschwinden bringen. Schade. Und Mozart war kurz nach Fertigstellung der Zauberflöte als noch junger Mann an einem Nierenleiden gestorben. Man hatte ihn in einem anonymen Armengrab beigesetzt.
Bei diesem Gedanken fragte sich Rick unwillkürlich, ob Mozart damals wohl schon gewusst hatte, dass es für ihn keine
Zukunft gab, dass die ihm zugemessene kurze Zeitspanne bereits abgelaufen war. Vielleicht gilt das auch für mich, dachte Rick, während die Probe ihren Fortgang nahm.
Diese Probe wird aufhören, die Darbietung wird zu Ende gehen, die Sängerinnen und Sänger werden sterben, und irgendwann wird auch die allerletzte Partitur auf irgendeine Art zerstört werden. Zum Schluss wird der Name »Mozart« verschwinden. Der Staub wird Sieger sein, wenn nicht auf diesem Planeten, dann auf einem andern. Eine Zeit lang können wir dies umgehen, so wie mich die Andys umgehen und eine kleine Weile überdauern. Aber dann erwische ich sie, oder ein anderer Prämienjäger erwischt sie. Irgendwie bin ich am formzerstörenden Entropieprozeà beteiligt. Der Rosen-Konzern kreiert, und ich vernichte. So muss es ihnen wenigstens vorkommen.
Oben auf der Bühne gaben sich Papageno und Pamina einen Dialog. Rick verdrängte seine Gedanken und hörte wieder zu.
Papageno: »Mein Kind, was sollen wir nun sagen?«
Pamina: »Die Wahrheit, nur die Wahrheit sagen wir.«
Rick beugte sich vor und betrachtete Pamina in ihrem schweren, gefältelten Kleid. Ein Schleier wehte ihr um Gesicht und Schultern. Er überflog noch einmal das Informationsblatt, dann lehnte er sich zufrieden zurück. Dort stand sein dritter Androide vom Typ Nexus-6. Luba Luft.
In dieser sentimentalen Rolle lag eine gewisse Ironie. Ein entflohener Androide kann noch so vital, aktiv und gut aussehen, er kann nie die Wahrheit sagen, jedenfalls nicht über sich selbst.
Auf der Bühne sang Luba Luft, und Rick staunte über ihre herrliche Stimme. Sie konnte durchaus neben den besten Sängerinnen bestehen, selbst neben den berühmtesten in seiner Sammlung historischer Aufnahmen. Eine hervorragende
Konstruktion des Rosen-Konzerns, das musste er zugeben. Und wieder betrachtete er sich sub specie aeternitatis als Formzerstörer, getrieben
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