Blätter treiben im Wind (German Edition)
Worte zu dem Stuhl. Tom wusste was er meinte.
»Guten Morgen, Tom. Komm setz‘ dich, es geht gleich los.«
Tom betrat die Veranda und setzte sich auf den knarzenden Holzstuhl neben Cooper. Er überkreuzte die Beine. Seine Boots waren mit Laub, Nadeln und Matsch verschmiert. Die Hosenbeine seiner Jeans hatten den Marsch zu Cooper nicht unbeschadet überstanden. Sie waren an den Enden mit nasser Erde verschmutzt.
Stille kehrte ein. Die Sonne begann sich langsam hinter den ersten Bergen zu zeigen. Sie war bereit ihre warmen Hände auszustrecken und den Indian Summer erstrahlen zu lassen. Der Anblick glich dem einer sich öffnenden Himmelspforte. Der Nebel bestand nur noch aus einzelnen Schwaden. Sie gingen in den Wäldern unter. Über dem See waren sie nur noch wie Schaumzucker auf einer Torte verstreut.
Tom wusste nicht, was er beobachten sollte. Es war alles so schön. Die sich erhebende Sonne; der See, bei dem man annahm, er würde von übergroßen Scheinwerfern bestrahlt; die vielen verschiedenen Baumarten, die jede ihren Reiz entfaltete. Oder einfach nur das glückliche Gesicht des alten Mannes, der auf seiner Veranda dieses Schauspiel beobachtete, so als ob er es das erste Mal sehen würde. Cooper log sich immer wieder selbst an, dass ihm die Natur gleichgültig geworden war, da er ja alles schon so lange kannte. Dieses Ereignis, jeden Morgen im Herbst, war ein Monumental für sich, das mit fast nichts gleichzusetzen war. Tom war überwältigt von diesen Eindrücken.
»Und, Tom? Was ist mit dir los? Deine Augen glühen wie flüssige Lava. Waren es alleine diese Minuten, die sie so zum Leuchten brachten, oder ist da noch etwas anderes?«, fragte der weise Cooper. Er wusste, was solch Blicke ohne Worte zu sagen hatten.
»Cooper, dein Alter lässt dich von meinen Augen ablesen. Es waren die vergangenen Minuten, aber es gibt da noch etwas, was mein Herz berührt«, seufzte Tom.
»Es ist ja nicht schwer zu erraten, was es ist. Wie heißt Sie?«
Tom lächelte Cooper an. „Donna.“ Er sprach den Namen aus, als ob es eine erlesene Speise in einem sündhaft teueren Restaurant gewesen wäre.
»Schöner Name. Ist sie aus Mackville?«, fragte Cooper, berichtete sich aber gleich wieder, »dort gibt es keine Donna. Höchstens du schaust ganz jungen Dingern hinterher. So auf dem Laufenden bin ich nicht mehr, was in dem Kuhdorf von statten geht«, scherzte er.
»Nein, sie ist nicht von hier. Sie kommt aus Boston ... und ich habe sie noch nie gesehen.«
Tom erzählte seinem alten Freund, was bisher alles geschehen war und dass er gestern einen neuen Brief von Donna erhalten hatte, der alles übertraf, was er sich je von einer Antwort erhofft hatte.
»Sie hat solch eine schöne Sprache, die sie in wenige Worte bündeln kann. Man möchte gleich den Brief küssen. Mein Herz schlägt heftig, wenn ich nur daran denke, Coop. Und das Kind, Julia heißt sie, ist für mich nicht das geringste Problem. Gestern, als ich den Satz das erste Mal las musste ich schon schlucken. Ich und Kinder, aber umso länger ich über Donna und Julia nachdachte, wurde mir klar, dass es etwas Wunderbares ist. Ich hoffe nur, dass mich ihre Tochter auch akzeptieren wird, wenn ich ihr begegne.«
»So ein feiner Kerl wie du bist.« Er sah Tom in die Augen. »Kinder sind oft gescheiter als viele Erwachsene. Das Abtasten, ob du was für ihre Mom bist, wirst du sicher bestehen. So irren kann sich kein Kind.«
Tom gab Cooper einen leichten Klaps auf seinen Oberschenkel. »Danke, Coop, das ist nett von dir.«
»Diese Donna muss wirklich eine tolle Frau sein.«
»Ist sie, wenn ich die Worte von ihr bis jetzt Revue passieren lasse«, sagte Tom und wiederholte sich, »ist sie.«
»Wenn sie dich dann tatsächlich besuchen kommt, vergiss nicht, sie mir vorzustellen.«
Tom war über Coopers Aussage überrascht. » Ich dachte, dein Haus darf kein anderer mehr betreten?«
»Darf auch niemand. Aber wenn du diese Frau liebst, dann seid ihr Eins. Das ist der Sinn hinter dem kräftigen Wort, das Liebe heißt. Eins zu werden. Eins zu sein. Wie Eins zu fühlen und zu denken.«
»Deine Worte sind wie Balsam auf der Seele von Liebenden, Coop. Wie war das überhaupt bei dir. Wie hast du deine Diadora kennen gelernt?«, fragte Tom.
Die Augen von Cooper Cheetwood leuchteten auf. Ein ähnliches Funkeln wie die Sonnenstrahlen die auf den See trafen.
»Ich habe Diadora kurz nach Ende des Krieges kennen gelernt. Ich war damals sechsundzwanzig. Mein Geld verdiente ich
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