Blätter treiben im Wind (German Edition)
Zuvor war schon dessen Vater Besitzer dieser Farm gewesen. Es war ein weißes Holzhaus mit grauen Holzschindeln und einem gemauerten Kamin. Eine kleine Veranda zierte die Vorderseite des Hauses. Ihr Onkel hatte keine Mühen gescheut und mit seinen drei Söhnen das Haus mit seinen zwei Scheunen weitläufig mit einem weißen Zaun umgeben. Es war schwierig für ihren Onkel von der Apfel- und Pfirsichernte zu leben. Er besaß einige Plantagen, doch der Profit schmolz in den Jahren dahin. So entschloss er sich, sein Land für Touristen zu öffnen. Nun hatte er zehn Pferde, einen Reitplatz und einige Kühe, die er zur Schau stellte. Aus dem Fell der Schafe machte ihre Tante Futter für Jacken, Kissen und Bettzeug.
Donna durfte ihren siebten Geburtstag auf der Farm feiern. Es war damals ihr erster Besuch. Jetzt kam sie schon fünf Jahre her. Und sie hatte sich in alles verliebt was es zu sehen gab.
Sie stand vom Bett auf und ging zum Fenster. Sie schob den weißen, frisch nach Blüten duftenden Vorhang zur Seite und sah es: das was ihr im Herzen Freude bereitete. Sie sah die in sich ruhende Natur und die widerspenstigen Tiere, die sich nach ein paar Worten und Blicken ihres Onkels beruhigten. Für sie war ihr Onkel ein Mann mit heiligen Händen. Nur mit Menschen tat er sich schwer. Nicht mit allen, aber denen, die Unruhe stiften und den Frieden entzweien wollten, denen stellte er sich mit breiter Brust in den Weg. Er konnte so viele Streitigkeiten beilegen. Das gelang ihm bei den willigen, aber immer mehr Geld fordernden Arbeitern, wie bei den aufstrebenden und satten Geschäftspartnern und den gut zahlenden, aber oft zu ausgelassenen Gästen. Auch bei der für ihn über alles stehenden Familie konnte er Streitigkeiten schnell beilegen.
Donna fühlte die Magie dieses kleinen Landstriches im Tal des Blue Ridge Mountain. Unendlich liebevoll waren die Wochen auf der Farm ihres Onkels. So wie immer.
Am Tage ritt sie mit dem schönsten Pferd des Stalles aus. Sie kannte die Rasse nicht, weil sie keine Pferdekennerin war. Sie liebte nur alle Lebewesen, die in irgendeiner Form Liebe und Frieden ausstrahlten. Das fast schneeweiße Pferd war solch ein Geschenk Gottes. Es begrüßte sie mit einem unverkennbaren Wiehern. Donna streichelte es. Ihr Onkel hatte der Stute ihren Namen gegeben. Donna. Sie waren wie Schwestern. Das hatte ihr Onkel mit der Namensgebung erreicht. Donna, das Pferd, schleckte bei der ersten Berührung immer ihre Hand. Darin befand sich ein Stück Zucker. Einer der drei Söhne ihres Onkels hatte sie bereits gesattelt und somit konnte Donna sofort aufsteigen und losreiten. Sie war so leicht wie eine Feder; Donna, das Pferd, spürte auf ihrem Rücken eine kaum vorhandene Last. Donna galoppierte auf der weißen Stute entlang der wild bewachsenen Berge und Hügel. Sie trug beim Ausritt immer die gleiche Jeans, die an den Säumen ausgefranst war und über der linken Gesäßtasche ein kleines Loch hatte. Über ihren Oberkörper hatte sie ein Sweatshirt mit einer beige-grünen Virginia -Stickerei übergestreift. Er war ein Geschenk ihres Onkels bei ihrer Ankunft.
Abends trafen sich alle zum Abendbrot. Sie genoss jede der Geschichten, die ihr Onkel, ihre Tante und deren Söhne erzählten. Für alle Themen war Platz. Die Arbeit, das Geld und auch ein wenig für die Liebe. Auch dieser Aufenthalt, der Donna Stärke verlieh um weiter durchzuhalten, nahm wie all die Jahre zuvor ein viel zu abruptes Ende. Sie würde wieder zurückkehren – in die Hölle.
Als sie mit vierzehn wieder zu Besuch war, auf der Farm ihres Onkels, wusste sich nicht, dass sie hierher nie wieder zurückkehren würde. Auch in diesem Jahr hatte der Frühling seine Zauberhand über das Land gelegt. Die prächtigen Farben begannen sich zu entfalten und der Region den winterlichen Hut zu rauben. Ihr Onkel hatte eine schwere Lungenentzündung überstanden, an der er beinahe gestorben wäre.
Donna weinte, wenn sie aus dem Munde ihres Onkels das Wort Tod vernahm. Sie liebte ihren Onkel, so wie sie keinen anderen Menschen liebte. Bei ihrer Ankunft stand er wie eine unerschütterliche Eiche am erneut weiß gestrichenen Zaun. Im Gras war die Spur der Farbe zu sehen, die herunter getropft war. Sie wurden erst kurz vor ihrer Ankunft fertig.
Ihr Onkel schickte alle ins Haus und setzte sich mit Donna in die zwei auf der Veranda stehende Schaukelstühle. Er griff hinter sich und holte einen mit Rosen bedruckten Geschenkkarton hervor. Donna lächelte. Das wäre
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