Blamage
verkaufte die Story für saftige Honorare an diverse Fernsehsender und an die Bild.
Manchmal wissen selbst die People-Journalisten wenig über die Meriten der Stars (auÃer, dass sie irgendwie »prominent« sind) oder sind gar so unschlagbar unwissend wie die deutsche Moderatorin Susann Atwell, die in den 1990er-Jahren für Prosieben aktiv war. Bei den Filmfestspielen in Cannes lief ihr plötzlich Jurymitglied Francis Ford Coppola vor das Mikrofon. Ihr fiel aber nichts ein, was sie ihn fragen könnte: »Ich habe mich in meiner Verzweiflung an den Kameramann gewandt, der sagte: âºFrag ihn, wann er den zweiten Teil vom Paten machtâ¹. Das habe ich dann auch getan. Coppola drehte sich nur um und ging weg. Mit Recht. Ich dachte: Tu dich auf, Erdboden, ich verschwinde. Es war furchtbar peinlich.« 74 Der Pate II war bereits vor über 20 Jahren gedreht worden.
Ein heftiger Skandal in eigener Sache machte im Sommer 2011 den britischen Prominentenjägern zu schaffen. Es ging dabei vor allem um die Methoden der traditionsreichen Boulevardzeitung News of the World. Vor knapp 170 Jahren gegründet, versorgte sie damals die gerade erst mühsam alphabetisierte englische Arbeiterklasse mit Sensations- und Skandalgeschichten. In den letzten Jahren war der Ton immer schriller, waren die Geschichten immer sensationsträchtiger geworden. Prominente galten als Freiwild, wurden Opfer eines Enthüllungsjournalismus, der unter allen Umständen aus ihnen Drogenabhängige, Alkoholkranke, Sexbesessene und Betrüger zu machen versuchte. Das Sonntagsblatt News of the World , sein Schwesternblatt Sun und andere Boulevardzeitungen hatten eine unendliche Reihe von Prominenten-Blamagen enthüllt (bzw. in einigen Fällen schlicht erfunden), darunter Hughs Grants Sex-Eskapaden, Beckhams und Rooneys erotische Auswärtsspiele oder die sehr merkwürdige SM -Fetischparty des Formel-1-Bosses Max Mosley. Gold wert sind für die Boulevardblätter Informanten wie beispielsweise der Ex-Leibwächter von Britney Spears. Fernando Flores, der seine Chefin bereits wegen »sexueller Belästigung« verklagt hatte, erzählte der Sun : »Spears ist eine Kettenraucherin. Sie furzt und bohrt in der Nase. Sie hat sich tagelang nicht gebadet, sich die Zähne nicht geputzt und die Haare nicht gemacht.« Der schwer traumatisierte Mann leidet laut eigenem Bekunden noch immer unter schlimmen Angstzuständen und Depressionen, sieben Millionen US -Dollar Schmerzensgeld soll sein Martyrium wert sein. Völlig frei erfunden war hingegen der Scoop der Sun , in dem behauptet wurde, Elton John habe Strichjungen bezahlt und seinen Wachhunden die Stimmbänder entfernen lassen, weil ihn ihr Bellen störte â der vermeintliche Tierquäler Elton John kassierte in diesem Fall eine Million Pfund Entschädigung. Am Ende überspannte News of the World den Bogen, indem sie die Telefone von Prominenten, darunter von Mitgliedern der königlichen Familie, abhören lieÃ, um an brisante Storys zu kommen â das Blatt musste im Juli 2011 eingestellt werden.
Letztlich kann man sagen: Bei den Prominenten wird wie unter einer Lupe das Peinlichkeitsempfinden einer Gesellschaft oder einer Epoche deutlich. In der Bewunderung wie in der Verabscheuung des Stars finden wir unsere eigenen WertmaÃstäbe, Vor- und Schreckbilder, hier bricht sich der mächtige Impuls der Schadenfreude Bahn, der im persönlichen Umfeld, im Alltag nicht ausgelebt werden kann. Die Stars, über deren Pannen, Fauxpas und Unvollkommenheiten man anonym und hemmungslos lachen, lästern und tratschen kann, dienen hier als Blitzableiter.
Kapitel 9
Panorama der Peinlichkeiten V â Geschmacksverirrungen
Als Kunstbanause dastehen
Ob Vernissage oder Stehempfang in der Botschaft, Klassik-Matinee oder Opernbesuch â was dem einen als hochkultureller Genuss gilt, bereitet dem anderen Höllenqualen, denn hier herrschen unerbittlich die Etikette, Dresscodes und Regeln der gehobenen Konversation. Die schüchternen Zeitgenossen fühlen sich hier besonders unbehaglich, aber auch die heimlichen Banausen, die eigentlich von Kunst, Musik und Theater keine Ahnung haben.
Im Theater zu spät kommen
Natürlich sitzen Sie in der dritten Reihe mittig. Alle anderen sind schon da. Sogar die Schauspieler kriegen mit, dass eine komplette Reihe aufstehen muss. Vor Peinlichkeit ertragen Sie es nicht, den sich mühsam
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