Blanche - Die Versuchung
Zumindest nicht , als sie sie verlassen hatte. Da war sie klein, zerbrechlich und sehr, sehr zornig gewesen. Anscheinend war ihr nur Letzteres geblieben. Und der schiefe Schneidezahn. Statt ihr zu sagen, wohin sie sich ihren Neid stecken konnte, fragte sie: „Wer hat euch ausgebi l det?“
„Ein Profi.“
Aha. Offensichtlich wollte sie es ihr nicht sagen. Steckte am Ende ein D ä mon dahinter? Interessante Vorstellung. Ein Diener Saetans, der den Hal b dämonen half , ihre Erzeuger auszuschalten. Aber vielleicht hatte er es nicht freiwillig getan. Wenn sie einen gefangen hätten, könnten sie ihn g e zwungen haben, ihnen die Schwachstellen ihrer Art zu verraten. Diese Bie s ter konnten nicht lügen, was in diesem Fall von Vorteil wäre.
Camille beobachtete sie, und als ihre Blicke sich trafen, fuhr sie leiser fort: „Du fragst dich, wie wir sie erledigen, hm?“
Das stimmte zwar nicht, dennoch sagte sie nichts . Camille verzog ihren Mund und entblö ß te ihren schrägen Zahn, was Blanche irgendwie rührte. Tatsächlich krampfte sich ihr Magen zusammen.
„Weihwasser“, bemerkte Cam.
Wie war das?
Camilles Grinsen wurde breiter. „Wir tauchen unsere Patronen vor jedem Kampf in Weihwasser.“ Sie klopfte auf die Peitsche an ihrer Hüfte. „So , wie dieses Schätzchen hier. Ich fette die Lederriemen regelmäßig mit geweihtem Öl ein. Anfangs habe ich es von den Mönchen geklaut.“
„Wie meinst du das?“
Cam rollte mit den Augen. „Das Öl für die letzte Salbung. Aber heute la s sen wir uns unser Equipment ganz offiziell absegnen.“ Sie schmunzelte über den doppelten Wortwitz . „Alex ist der Meinung, dass wir mit gemopster Ausrüstung den Segen wieder aufheben könnten. Er ist Priester und muss es wissen.“
Blanches dachte an die verbrutzelten Dämonen, die von Cams Peitsche g e tr ieft waren. Wenn Weihwasser eine derart vernichtende Wirkung auf die Gegner hatte, war ihre Überlebenschance eben um ein paar Prozent gesti e gen. Sie würde sich das Zeug in Kanistern liefern lassen – ach was, in Tan k zügen – und ganz Paris damit bewässern. Andererseits … Blanche stutzte. „Du weißt aber schon, dass du Saetan auf diese Weise nicht schwächst.“
Tatsache war, dass Dämonen immer wieder zu ihrem Herrn zurückkeh r ten, unabhängig davon, ob man ihnen den Kopf abschlug oder sie mit Weihwasser grillte. Allein der Abberufer besaß die Macht, die besetzte Seele zu befreien und von dem Dämon zu erlösen.
„Was redest du da für ein Blech? Ich helfe den Menschen, das ist mehr , als man von dir behaupten kann!“
„Wenn du den Körper zerstörst, muss sich der Dämon ein neues Opfer besorgen , um die Erde zu betreten . Was glaubst du, wie er drankommt?“ Von Spendern stammten die Körper sicher nicht.
Cam schnaubte, doch Blanche war noch nicht fertig. „Mit deinen Aktionen tötest du die besetzten Menschen und schickst Saetans Mistviecher zurück in die Hölle.“ Dort wurden sie vom Teufel willkommen gehei ß en, der ihnen an Ort und Stelle seinen Atem einhauchte – und fertig war der Dämon. Fehlte nur noch ein neues Mensch-Kostüm, damit sein Monster auch etwas zum anziehen hatte.
„Und was soll ich deiner Ansicht nach tun? Däumchendrehen?“ Camille legte ihre rechte Hand auf die eingerollte Peitsche und beugte sich vor. „Wie du weißt , gibt es nur noch einen Recaller, also was bleibt uns übrig? Irgen d was müssen wir schließlich tun . “
„Ihr kämpft gegen Windmühlen, kapierst du das nicht? Und ihr seid keine Chasseure.“
„Sagt wer?“, höhnte Cam. „Wir arbeiten vielleicht nicht für Miceal, de n noch sind wir freiberuflich aktiv, genau wie Wayne . “
Blanche blinzelte. Sie hatte Wayne gekannt?
Camille, der Blanches Ausdruck nicht entgangen war, grinste. „Ich habe schon Dämonen kaltgemacht, als dich dein S chweizer Zuhälter in Aben d kleider gesteckt und dich Türsteherin hat spielen lassen.“ Cams Augen sprühten nun Gift und Galle , während sie auf Blanche zutrat. „Wärst du nicht plötzlich aufgetaucht, hätte Miceal mir den Recaller gegeben , statt einer Fremden.“
Blanches Schultern spannten sich. Cam stand zu dicht in dem kleinen Raum. Davon abgesehen hatte sie keine Geduld für Heulbojen, die sich für den Nabel der Welt hielten. Ja, Camille hatte es schwer gehabt. Ihre Kindheit war beschissen gewesen, und das Leben hatte ihr mit Anlauf in den Arsch getreten. Aber verflucht noch mal , ihr auch! Woher zum Teufel nahm sie diese
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