Blanche - Die Versuchung
die weltweite Verbindungen unterhält. Er bittet Sie um einen Gefallen, den er Ihnen großzügig vergelten wird.“
Enzo hob eine Braue, schwieg jedoch.
„Durch ein unglückliches Missverständnis waren Sie gestern jemandem zu Diensten, an dem mein Auftraggeber ein besonderes Interesse hat.“
Weder er noch Marcel hatten gestern Abend irgendwelche Zusagen ausgetauscht. Es war ein zwangloses Treffen mit einem anschließenden Essen gewesen, das dank Blanches kurzem Auftritt in einem guten Klima ausgeklungen war.
„Sollten Sie dieser Person Ihre Unterstützung entziehen, wäre mein Auftraggeber bereit, Sie dafür zu entschädigen und die Sache zu vergessen.“
Enzos Kiefermuskeln spannten sich an. Wer war dieser Kerl, dass er es wagte, so mit ihm zu reden? Eine einmal angebotene Zusage zurückzuziehen war ehrlos, so etwas würde er niemals tun, es sei denn, derjenige würde sich nicht an eine beschlossene Abmachung halten. Er öffnete bereits den Mund, als sein Gegenüber in kühlem Ton fortfuhr.
„Sie haben sich hier ein schönes Zuhause geschaffen, Signore di Lorenzo. Haben über Jahre Macht angehäuft. Gesetze aufgestellt, ihre eigene Kultur entwickelt. Sich eine kleine Familie aufgebaut, die Sie um sich versammelt haben, damit die Seifenblase, in der Sie leben, nicht zerplatzt. Aber in Zeiten wie diesen sind Schneekugeln zerbrechlich.“
„In Zeiten wie diesen?“, wiederholte Enzo und drängte den aufkeimenden Zorn eisern zurück.
„Nun“, begann der Fremde. „Die Sankt Petersburger werden immer dreister, die Moskauer Gruppe hat ihren Anführer zurück, und die Algerier werden sich nicht mehr lange mit den Brotkrumen zufriedengeben, die Sie ihnen überlassen. Sie wollen ebenfalls am Pariser Festbankett teilnehmen, und ihr Hunger ist groß.“
Enzo nahm Arziels Hinweis zur Kenntnis. Er würde einen seiner Männer darauf ansetzen. Ein Konflikt mit den Algeriern hatte ihm gerade noch gefehlt, Sergej machte ihm genug Scherereien.
„Ich könnte Ihnen eines dieser Probleme abnehmen. Sagen Sie mir nur, welcher Stein Sie am meisten drückt, und ich werde ihn für Sie entfernen.“
Enzo zog es vor, zu schweigen. Sein Text wäre nun: Und welchen Gefallen würde ich dafür Ihrer Organisation schulden? Aber eine solche Frage war unter seiner Würde, zumal er es mit einem Unterhändler zu tun hatte. Er war Enzo, der Kopf der führenden italienischen Famiglia von Paris. Dieser Wurm war ein Niemand, der unter keinem Schutz stand. Er redete von einem mächtigen Syndikat und einem einflussreichen Auftraggeber, um hier lebend wieder rauszukommen. Dabei brüstete sich jeder Postbote damit, einer mächtigen Organisation anzugehören, selbst wenn es sich dabei nur um seine Gewerkschaft handelte. Enzo könnte ihn einfach abknallen und seine Leiche verschwinden lassen. Kein Mensch würde ihn dafür zur Rechenschaft ziehen.
Arziel nickte, und die Genugtuung, die sich in seinen Zügen widerspiegelte, gefiel Enzo nicht. „Dafür erwartet mein Auftraggeber, dass Sie die neuen Bewohner, die Sie gestern Nacht bei sich aufgenommen haben, mir überlassen.“
Enzo lehnte sich in seinem Sessel zurück und fixierte sein Gegenüber. Darum ging es also, um diese Hochbegabten. Wer bei Verstand jagte hinter einer Horde Klugscheißer her?
„Darüber hinaus hat meine Organisation großes Interesse an der Person, die dieses Arrangement vermittelt hat.“
Innerlich schüttelte Enzo den Kopf. Mit wem hatte Blanche sich nun schon wieder angelegt? Fast hätte er gelächelt. Bei ihrem Auftreten durfte sie wahrscheinlich froh sein, dass sie ihre ersten Wochen in Paris überlebt hatte. Er würde es nie zugeben, aber er fand ihre eigensinnige Art erfrischend. Seit Jahren war er von Arschkriechern und Speichelleckern umgeben, und manchmal widerte ihn das an. Blanche dagegen machte niemandem etwas vor, und so etwas wusste er zu schätzen, auch wenn er sich mehr Respekt von Waynes Protegé wünschte. Aber sie war jung, sie würde es noch lernen.
„Ist das alles?“ Enzo klang beinahe gelangweilt.
„Oui.“ Arziel neigte leicht den Kopf. „Sobald ich das Mädchen und die Kinder habe, werde ich einen Ihrer Widersacher entfernen, sowie seine Anhänger, das ist nur fair.“
Wenn es so einfach wäre.
Enzo hatte bisher noch nie mit Geistesgestörten zu tun gehabt, darum wählte er seine nächsten Worte sorgfältig. „Ich weiß Ihr Angebot zu schätzen, Monsieur Arziel. Unter anderen Umständen würde ich um einige Tage Bedenkzeit bitten,
Weitere Kostenlose Bücher