Blanche - Die Versuchung
und lag nun auf dem Place Vendôme.
Na toll.
Anscheinend würde sie heute nicht herausfinden, wie diese Wind-Nummer funktionierte. Hier herumzusitzen und Däumchen zu drehen , war aber auch nicht ihr Ding. Beliar hatte gesagt, wo sich Zoey verkroch, im elften Arro n dissement, bei der Bastille. Vermutlich war diese Ratte bereits weitergezogen, aber immerhin hatte sie jetzt einen Ausgangspunkt.
Entschlossen schraubte sie die Klimaanlage auf, griff nach den Magazinen und verstaute sie in die Seitentaschen ihrer Cargo. Bevor sie Zoey einen B e such abstattete , würde sie beim Schließfach vorbeischauen, sie brauchte den Recaller.
Kurz kam ihr der Gedanke , auf Beliar zu warten, doch sie verwarf ihn a u genblicklich. Wenn er einen auf Solo machte, brauchte sie ebenfalls keine Rücksicht zu nehmen. Und überhaupt. Früher hätte sie die Vorstellung, mit einem Partner zusammenzuarbeiten, amüsiert. Früher? Großer Gott, das war keine drei Wochen her! Und nun hatte sie Gewissensbisse , ohne ihren gr o ßen, bösen Dämon ins Feld zu ziehen.
So weit kommt’s noch.
Blanche liebte ihren Job. Er war nicht besonders kompliziert und hatte kl a re Regeln. Außerdem gab es nicht viele, die ihn so sauber erledigten wie sie, und sie schlief deswegen kein bisschen schlechter. Um den Abschaum, den sie ins Jenseits beförderte, tat es ihr nicht leid. Die Welt war ohne ihn ein besserer Ort. Da ständig neue Drogendealer, Zuhälter oder Waffenschieber nachrückten, hatte sie immer gut zu tun gehabt, und bis sie Miceal begegnet war, genügte ihr das. Doch der Erzengel hatte ihr ein Angebot gemacht, das sie nicht ablehnen konnte, die Jag d auf Dämonen. Welcher Killer hätte dazu N ein sagen können? Nicht mal Wayne war dieses Kunststück gelungen – und er war der Beste gewesen. Offiziell hatte er Auft r äge für Enzo erledigt, der vorzugsweise Konkurrenten hinrichten ließ. Aber auch Mitarbeiter , die ihn beschissen hatten. Inoffiziell war er einen Pakt mit dem Teufel eingega n gen und fing für Saetan flüchtige Dämonen ein.
Wie von selbst wanderten ihre Gedanken zurück zur letzten Nacht, dem Treffen mit Enzo und Marcels unerwartetem Erscheinen. Ihr Ex würde heute in aller Frühe in die Schweiz fahren, um seine Männer zusammenz u trommeln und die Geschäfte vorübergehend seiner Nummer z wei zu übe r tragen. Noch vor wenigen Wochen war sie das gewesen, doch das schien ein anderes Leben gewesen zu sein.
Marcel schuldete Enzo hundert bewaffnete Kämpfer, die er unter sein Kom m ando stellen würde, bis die Krise vorbei war. Danach hatten er und Enzo sich auf die Hälfte geeinigt, die in einer Art Rotationsverfahren für Enzo arbeiten würden. Marcel war nicht dumm. Seine Leute mussten wissen, das s er, und nur er ihr Boss war. Dazu musste er sie regelmäßig zurück zur Basis holen, damit sie das auch nicht vergaßen. Zwar bezahlte Enzo sie a n teilig, aber was war Geld verglichen mit Treue?
Blanche wusste aus Erfahrung, dass Marcels Männer ihm ergeben waren, und warum auch nicht. Er besaß Macht, die er mit ihnen teilte. Außerdem war er fair und behandelte seine Leute anständig. Und er bezahlte gut. Wer in seinen engeren Kreis aufstieg , bekam einträgliche Anteile und erhielt die Chance , sich weiter zu beteiligen. Über die Jahre hatte er ein gut funktioni e rendes Bonussystem aufgebaut, das Loyalität belohnte – und Verrat bestra f te. Für Letzteres war sie zuständig gewesen.
Vielleicht lag es daran, dass er ursprünglich Banker war, möglich war auch sein eidgenössisches Erbe. Doch während andere Syndikate sich ständig mit Verrätern und Versagern auseinandersetzen mussten, lief seine Organisation mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks.
Blanche hatte keinen Zweifel, dass er mit der für ihn typischen Sorgfalt vorgehen und Enzos Geschäfte in Paris aufblühen lassen würde.
Aber was versprach er sich davon? Sie kannte Marcel. Er war ehrgeizig , aber nicht gierig. Ihm reichten die Außenbezirke, da hatte er seine Ruhe vor den großen Konfrontationen und wurde in keinen Krieg hineingezogen. Woher kam die plötzliche Wende seiner Unternehmenspolitik?
Als die Dunkelheit diesmal nach ihr griff, setzte ihr Herz einen Schlag aus. Plötzlich vibrierte ihr Handy. Die Nummer kannte sie nicht, die Stimme schon.
„Darf die kleine Blanche zum Spielen rauskommen?“
„Woher hast du diese Nummer, du Penner!“
„Husch, husch, komm aus deinem Bau, gleich wird’s laut.“
Scheiße.
Das Foto war
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