Blanche - Die Versuchung
drehte sie einfach nur am Rad und bildete sich das Ga n ze ein.
Doch die letzten Jahre hatten nicht umsonst eine ausgezeichnete Jägerin aus ihr gemacht. Wie oft hatte sie nur deswegen überlebt, weil sie ihren I n s tinkten vertraute? Wie i m Zeitraffer tastete sie nach den Waffen – alles noch da. Dann schloss sie die Augen und lauschte in die Stille. Nichts. Sie konze n trierte sich und sandte ihre Sinne aus. Erst aus dem Raum, dann aus der Suite – oder was davon übrig war.
Da draußen war etwas. Vorsichtig berührte sie mit ihren Sinnen einige der düsteren Ausläufer, doch diese zuckten vor ihr zurück, als hätten sie sich verbrannt.
Was zur Hölle sollte das sein?
Sie suchte noch eine Weile nach der namenlosen Schwärze, doch diese war schneller als Blanche. Wie es aussah , wurde sie von jemande m oder etwas aus einer sicheren Position beobachtet, während sie sich wie eine Blinde durch undurchdringliche Dunkelheit tastete.
Verfluchter Schei ß ! Sie war es nicht gewohnt , gegen unsichtbare Gegner zu kämpfen. In ihrem Job hatten Zielpersonen einen Namen, ein Gesicht und manchmal sogar eine Adresse.
Das hier war … anders.
Apropos. Blanche drehte sich zum Sessel und streckte eine Hand aus. Dann schloss sie die Augen und stellte sich vor, wie sie das Ding Kraft ihres Willens bewegen würde. Nichts geschah. Sie nahm einen tiefen Atemzug, sammelte Wut, wie Wasser in einem Flutbecken, konzentrierte sich darauf , und streckte abermals die Hand aus, um das Ding zu bewegen. Doch auch diesmal blieb es von ihren Bemühungen unbeeindruckt.
Seltsam. Wenn diese Wind-Nummer weder auf einen mentalen Befehl, noch auf Wut reagierte, worauf dann? Unwillkürlich wanderten ihre Geda n ken zu Beliar und sie verfluchte sich für ihre Unkonzentriertheit.
A ls sie sich ihr fokussiere-dich-Mantra aufsagen wollte, wackelte der Sessel, und ruckte ein Stück zurück.
Moment mal, sie hatte nichts weiter getan, als an ihren hundsgemeinen Dämon zu denken, der sie wie ein Paket abgeliefert und anschließend a b g e hauen war.
Wieder machte der Sessel einen Satz zurück. Irritiert schüttelte sie den Kopf und schloss abermals die Augen. Diesmal lenkte sie ihre Konzentration nach innen. Da war eine Menge Schmerz unter der Oberfläche – keine echte Neuigkeit. Entschlossen ballte sie die Hände zu Fäusten und ging der Sache auf den Grund. Dies war nicht gerade ihr Spezialgebiet und normalerweise vermied sie es gründlich , ihr Innenleben zu erforschen. Doch das hier war wichtig, denn wenn sie wirklich eine Affinität zum Wind entwickelt hatte, wäre das eine Waffe mehr in ihrem Arsenal. Und mit dem Teufel als Gegner brauchte sie mehr als eine SIG und gut gemeinte Ratschläge von Miceal.
Sie brauchte Macht.
Also, wie zur Hölle sah die Kraft aus, mit der sie den Wind beschwören konnte? Was hatte sie getan, bevor Leben in den Sessel gekommen war? Sie hatte an Beliar gedacht …
Der Schmerz kam so schnell, dass sie die Zähne zusammenbiss. Er fühlte sich wie glühender Kleister an, der sie mit eisernem Griff zusammenhielt. Während sie verweilte, um den Schmerz auf sich wirken zu lassen, stellte sie überrascht fest, dass er aus zahlreichen Komponenten bestand. Nie im L e ben hätte sie gedacht, dass es derart unterschiedliche Varianten von ein und demselben Gefühl gab. Im Schmerz lagen zahlreiche Ängste, Sorgen, Zweifel und Selbsthass. Sie hörte die Füße des Sessels über das Holz schrammen, behielt die Augen jedoch gesch l ossen. Schweißperlen bedeckten ihre Stirn, sie verabscheute, was sie gerade tat. Dennoch tauchte sie tiefer in die Wunde ein, schwamm wie ein Lachs vor dem Laichen gegen eine Flut von Gefühlen an, die ihr den Atem raubte. Das s charrende Geräusch erstarb, und als sie kurz blinzelte , sah sie, dass der Sessel in der Luft hing. Nicht wie bei Beliar, der bei ihrer ersten Begegnung die Patronen hatte schweben lassen, mit d e nen sie ihn durchsieben wollte. Oh n ein. Das Teil befand sich in einer Art Wirbelwind, der den Sessel in einer stabilen Position hielt. Als sie diesmal die Lider schloss, erschien Beliars Antlitz vor ihrem inneren Auge. Ihn so plöt z lich vor sich zu sehen , war wie ein Tiefschlag. Gott, sie vermisste ihren D ä mon mit jeder Faser ihres Körper, sehnte sich nach seiner Nähe und dem unwiderstehlichen Espressoduft. Es war wie krank sein, nur wunderschön.
Als sie das Krachen hörte, riss sie die Augen auf, beide Waffen in der Hand. Der Sessel war durch das Fenster geflogen
Weitere Kostenlose Bücher