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Blankes Entsetzen

Blankes Entsetzen

Titel: Blankes Entsetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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aus Marlow, erinnerte er sich, war erst nach dem ersten Mini-Zusammenstoß gekommen: dieser Sache mit der Oper. Es hatte nicht länger gedauert als einen oder zwei Wimpernschläge, aber in diesem Moment hatte Lizzie – die reizende, herzliche Frau, die sie sonst zu sein schien – eisige Kälte ausgestrahlt. Das hatte seine Neugier geweckt.
    Anschließend hatte sie von der Erkältung ihrer Kinder erfahren
    – zu diesem Zeitpunkt hatte er, Allbeury, noch nicht von der Muskeldystrophie ihres Sohnes gewusst. Der arme Junge. Das musste eine allgegenwärtige Quelle des Kummers und der Angst für die ganze Familie sein, vor allem, wenn ein Virus grassierte.
    Arme Lizzie.
    Doch es war diese Umarmung am Ende des Abends gewesen, die seine Neugier und seine Sorge erst richtig angestachelt hatte 230
    – auch wenn es ihm ganz gewiss nicht zustand, besorgt zu sein.
    Christopher hatte den Arm um Lizzie gelegt, und sie hatte es zugelassen; sie hatte ihn nicht weggeschoben, sondern neben ihm auf der Türschwelle gestanden und gelächelt, bis Susan und er gegangen waren.
    Das Deuten von Körpersprache wurde Allbeurys Meinung nach meist überbewertet, doch es gab Augenblicke, in denen man sie unmöglich übersehen konnte, und diese Situation zwischen den Wades war ein solcher Augenblick gewesen.
    Lizzie mochte ihren Mann nicht direkt abgewehrt haben, doch Allbeury war sicher, dass sie seine Umarmung nicht gewollt hatte.
    Warum nicht? Wo doch alles, was er über diese Beziehung gelesen hatte, geradezu nach »perfektem Paar« schrie.
    Ganz gleich, wie beschäftigt er im Büro war, ganz gleich, wie beschäftigt er dann noch zu Hause sein würde, wo er Joanne Patstons Befreiung aus ihrer Notlage in die Wege leiten wollte –
    Allbeury bekam Lizzie Piper einfach nicht aus dem Kopf.
    Das beunruhigte ihn.
    Denn wenn Lizzie tatsächlich so ernsthafte Probleme hatte, wie er vermutete, wusste er jetzt schon, dass er versucht war, ihr zu helfen.
    Und Allbeury hatte nie zuvor beschlossen, einer Frau zu helfen, zu der er sich hingezogen fühlte.
    Sehr hingezogen fühlte.
    231
    45.
    ach einer komplizierten dreistündigen Operation eines N Unfallopfers im St. Clares kehrte Christopher um kurz vor halb sechs in die Beauchamp-Klinik zurück, wo er von seiner Sekretärin Jane Meredith erfuhr, dass Lizzie angerufen hatte: Jack zeige nun ebenfalls Symptome jener Virusinfektion, die Edward und Sophie erwischt hatte.
    Eilig lief Christopher in sein Büro und rief zu Hause an.
    »Wie geht es ihm?«
    »Nicht schlecht«, antwortete Lizzie. »Er hat nur ein bisschen erhöhte Temperatur.«
    »War Hilda da?«
    »Vor einer Stunde. Sie hat mich sehr beruhigt.«
    »Gut.« Christopher hielt inne. »Soll ich kommen?«
    »Wenn du kannst, wäre es mir sehr lieb«, gab Lizzie zu.
    »Ich brauche zehn bis fünfzehn Minuten, um mit Jane alles zu besprechen«, sagte Christopher, »dann mache ich mich auf den Weg.«
    »Fahr vorsichtig«, sagte Lizzie. »Es geht ihm wirklich relativ gut.«
    Das bloße Wissen, dass Christopher gegen acht zu Hause sein würde, bewirkte augenblicklich, dass Lizzie sich besser fühlte.
    Edward und Sophie hatten die schlimmste Phase ihrer Erkältung mit der Leichtigkeit gesunder junger Menschen bereits hinter sich gelassen – und bei sorgfältiger Behandlung und Beobachtung Jacks war es sehr wahrscheinlich, dass es bei ihm genauso verlief. Doch Lizzie und Christopher war nur allzu bewusst, dass für einen Jungen mit DMD jede
    Atemwegserkrankung ein Risiko darstellte. Lizzie hatte vollstes 232
    Vertrauen zu Hilda Kapur, doch Gilly hatte heute frei, und selbst wenn sie hier gewesen wäre, um ihr moralische Unterstützung zu leisten: In Zeiten wie diesen schätzte Lizzie – immer noch und trotz allem – Christophers Gegenwart am meisten.
    »Hast du mit Dad gesprochen?«, fragte Jack, sobald sie sein Zimmer wieder betrat.
    »Habe ich.« Lizzie legte ihm eine Hand auf die Stirn. Sie fühlte sich zu warm an. »Er macht in der Klinik Feierabend und kommt nach Hause.«
    »Ich will nicht, dass er extra kommt, Mom.« Jack hasste »den ganzen Zirkus«, der begann, sobald er ein paar Mal nieste oder auch nur ein bisschen erhöhte Temperatur hatte. »Ruf ihn noch mal an und sag ihm, dass es mir gut geht.«
    »Er wollte sowieso kommen«, log Lizzie.
    »Bestimmt nicht!«
    Jack hustete, und Lizzies ganzer Körper spannte sich an.
    »Keine Bange, Mom«, sagte er, als er ihren Gesichtsausdruck sah. »Es ist nur ein Kitzeln.«
    »Ich weiß«, sagte sie.
    Er

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