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Blankes Entsetzen

Blankes Entsetzen

Titel: Blankes Entsetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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Wochen dort war und mit einem Mann sprach, während ihre Tochter sich Bücher ansah.«
    »Allbeury?«, fragte Helen.
    »Mittleres Alter, gut gekleidet, dunkles, leicht angegrautes Haar.« Keenan lächelte. »Bestätigt seine Geschichte.«
    »Ich traue ihm trotzdem nicht.«
    »Ich habe seit gestern Nachmittag ziemlich genaue Recherchen über ihn angestellt, wie Sie es zweifellos schon vor mir getan haben. Der Mann hat eine blütenweiße Weste.«
    »Nun«, sagte Helen, »zumindest traue ich seinen Motiven nicht.«
    »Die Motive anderer Menschen erscheinen einem oft seltsam. Das macht diese Menschen aber nicht gleich zu Wahnsinnigen oder zu bösartigen Mördern.« Keenan zuckte mit den Achseln. »Vielleicht hilft Robin Allbeury einfach nur gern Frauen in Not, ganz ohne Bedingungen.«
    »Vielleicht«, sagte Helen zweifelnd.
    Keenan packte seinen Donut aus und legte ihn auf die Papiertüte.
    Helen verstand den Wink. »Ich lasse Sie jetzt in Frieden.«
    »Möchten Sie einen Rat von einem ziemlich alten Hasen?«
    »Sicher«, sagte sie und stand auf.
    »Intuition ist wichtig«, sagte er. »Ich habe immer schon an Intuition geglaubt. Aber sie ist nur nützlich, solange wir nicht besessen von ihr sind.«
    »Sie glauben, ich bin von Allbeury und Novak besessen?«
    Keenan blickte auf und sah, dass ihre Frage ernst gemeint war.
    »Noch nicht ganz«, sagte er.

73.
    Nick Parry hatte das mühsame Duschen und Abtrocknen hinter sich gebracht. Mittlerweile schaffte er es zum größten Teil alleine, doch wenn Clare oder einer der anderen Pfleger da waren, gestaltete es sich sehr viel einfacher. Die schlimmste Erniedrigung hatte er längst überwunden, doch es hing auch sehr davon ab, wer ihm half. Am liebsten war ihm Clare Novak – zum einen, weil sie kompetent, sachlich und zugleich sensibel bei den hässlicheren der erforderlichen Prozeduren war, und zum anderen, weil er das Gefühl hatte, dass sie es wirklich mochte, bei ihm zu sein und mit ihm zu reden.
    Und sie gab die mit Abstand besten Aromatherapie-Massagen.
    So wie im Augenblick. Trotz aller professionellen Distanziertheit und Routine, mit der sie ihre Hände bewegte, konnte Parry es nicht vermeiden, dabei an ganz andere Massagen zu denken, die er bekommen hatte, als er noch ein normaler, aktiver junger Mann gewesen war. Auf gewisse Weise waren diese Erinnerungen überaus schmerzhaft und deprimierend; auf der anderen Seite aber hatte er sich vor einiger Zeit gesagt, lieber schmerzliche Erinnerungen zu besitzen als solche Erfahrungen nie gemacht zu haben.
    »Erzähl mir mehr von gestern Abend«, sagte er jetzt.
    »Entspann dich«, wies Clare ihn an.
    »Du musst reden, damit ich keine lüsternen Gedanken kriege.«
    »Nichts hält dich davon ab, lüsterne Gedanken zu haben, Parry«, entgegnete sie unbekümmert.
    »Komm schon, Novak. Du weißt, dass deine Geheimnisse in meinen Ohren sicher sind.«
    Sie hatte bis eben noch geredet, sich dann aber ziemlich abrupt unterbrochen, weil es ihr unfair erschienen war, Nick von ihrem gestrigen Abendessen mit Mike zu erzählen. Der hatte sie eigentlich zum Feiern ausführen wollen, doch sie hatte es vorgezogen, ihm zu Hause ein Wok-Gericht zuzubereiten. Mike wollte über ihre Angst vor der neuen Schwangerschaft sprechen und versuchte wieder einmal, sie zu überzeugen, dass die Schuld für das letzte Mal keinesfalls bei ihr lag. Es sei Schicksal gewesen, sagte er, und einfach der falsche Zeitpunkt, und wäre sie nicht alleine gewesen, wäre er bei ihr gewesen, dann wäre alles anders gekommen.
    »Er sagt, es wird auf keinen Fall noch einmal passieren«, erzählte sie Parry jetzt. »Die Ärzte hätten uns versichert, es gebe keinen Grund, warum es noch einmal schief gehen sollte. Und er sagt, er werde dieses Mal so dicht in meiner Nähe bleiben, dass er mich wahrscheinlich in den Wahnsinn treibt.«
    »Du hast Glück«, sagte Parry.
    »Ich weiß«, sagte Clare und gab noch etwas Neroli- und Aprikosenkernöl auf ihre Handflächen. »Er meint, ich soll es ein bisschen langsamer angehen lassen und weniger arbeiten.«
    »Aber du arbeitest doch gern.«
    »Er sagt ja nicht, dass ich mit der Arbeit aufhören soll. Ich soll nur etwas kürzer treten.« Clare hielt inne, um ein wenig Öl in seinen linken Wadenmuskel zu massieren.
    »Wollte er, dass du nicht mehr zu mir kommst?«
    Clare lächelte. »Er hat es vorgeschlagen.«
    »Vielleicht hat er Recht«, sagte Parry.
    »Er hat überhaupt nicht Recht«, sagte Clare, »und das habe ich ihm auch

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