Blankes Entsetzen
gesagt.«
»Fand er das in Ordnung?«
»Ja.« Sie wechselte zu seinem rechten Bein. »Mike versucht nie, mich zu etwas zu drängen, das ich nicht will.«
»Aber?« Parry wartete.
»Ich habe ihn gefragt, ob er nicht auch Angst hat.« Sie schwieg kurz. »Er dachte, ich meinte nur das Baby.«
»Aber du hast mehr gemeint?«, sagte Parry.
Clare schüttelte den Kopf. »Es gibt in dieser Welt sehr viele Dinge, vor denen man Angst haben kann, wenn man es zulässt.«
»Du denkst an das kleine Mädchen, nicht wahr?«, fragte Parry. »Irina.«
»Ja«, sagte Clare.
»Und an ihre Mutter.«
»Natürlich«, sagte Clare.
»Armes Ding«, sagte Parry.
74.
Da die Untersuchung von Joannes Wagen weder nützliche noch interessante Ergebnisse erbracht und auch alle sonstigen Ermittlungen ins Leere geführt hatten, wartete Keenan bis Samstagmorgen, um das Feuer unter Tony Patstons aufgeregtem Hintern noch ein bisschen mehr anzufachen. Er rief ihn an und fragte, ob es ihm etwas ausmache, zu einem weiteren Gespräch nach Theydon Bois zu kommen.
»Was für ein Gespräch?«, fragte Tony, der sofort in die Defensive ging.
»Wir möchten nur gern noch ein paar Fragen klären.«
Irgendetwas an Keenans Freundlichkeit ließ Tony bis ins Mark erschaudern.
»Wenn ich jemanden mitbringen wollte …«, sagte er vorsichtig.
»Wen, Mr Patston?«
»Einen Anwalt«, sagte Tony. »Nur, um alles ein bisschen im Auge zu behalten, wissen Sie.« Er begann zu schwitzen, weil er wusste, wie das für den Polizisten klingen musste. »Es ist nicht, was Sie denken«, fügte er schnell hinzu.
»Bestimmt nicht«, sagte Keenan glattzüngig. »Bringen Sie Ihren Anwalt mit.« Er hielt inne. »Würden Sie gern zu uns kommen, Mr Patston, oder möchten Sie, dass wir Sie abholen?«
Tony sagte, er wolle selbst fahren.
»Es wird doch nicht zu lange dauern?«, fragte er etwa drei Stunden später, als er Keenan und Reed in einem Verhörzimmer gegenübersaß.
Es hatte ihn mehr als neunzig Minuten gekostet – hektisch die Gelben Seiten nach Anwälten mit 24-Stunden-Notfallnummern durchblätternd –, jemanden zu finden, der Zeit und Muße hatte, ihn an einem Samstagmorgen in Theydon Bois zu treffen.
Der Mann, der jetzt neben ihm saß, hieß Richard Slattery. Abgesehen von seiner Körperfülle und der Tatsache, dass er verfügbar und für ein sattes Honorar bereit war, kurzfristig zu erscheinen, hatte Tony keine Ahnung, ob der Mann als Anwalt etwas taugte.
Aber besser als gar keiner. Hoffentlich.
»Sie stehen nicht unter Arrest, Mr Patston«, sagte Keenan. »Sie können jederzeit gehen.«
»In Ordnung«, sagte Tony, und sein Magen zog sich zusammen. »Nur …«
»Sie haben das Recht auf einen Anwalt«, fuhr Keenan fort, »aber es ist ja offensichtlich, dass Sie bereits Ihre eigenen Vorkehrungen getroffen haben.« Er nickte in Richtung Slattery.
»Ich frage nur«, sagte Tony, »weil ich Irina nicht zu lange allein lassen will, wissen Sie.«
»Sie ist doch bei Ihrer Schwiegermutter, oder nicht?«, fragte Keenan.
»Ja«, sagte Tony, »aber sie leidet natürlich wegen ihrer Mutter.«
Auf dem Tisch standen drei Plastikbecher Kaffee. Slattery trank seinen bereits und gab dabei kleine, schlürfende Geräusche von sich, wie eine Katze, was Tony für einen Mann seiner Größe seltsam fand. Weder Keenan noch Reed hatten ihre Becher bisher angerührt, und Tony hatte nicht gewagt, seinen zu nehmen, weil er Angst hatte, dass seine Hand zitterte.
»Ich schalte jetzt den Kassettenrekorder ein«, sagte Keenan.
Terry Reed packte zwei Kassetten aus und steckte sie in den Rekorder an der Wandseite des Tisches. Keenan griff an ihm vorbei, um ihn einzuschalten.
»Sie lieben Ihre kleine Tochter, nicht wahr?«, fragte Reed.
»Natürlich«, sagte Tony und dachte wieder einmal, wie seltsam es war, dass er seit Joannes Tod entdeckt hatte, dass er Irina tatsächlich viel mehr liebte, als er gewusst hatte.
»Wenn Sie Irina lieben«, fragte Keenan ruhig, »warum schlagen Sie sie dann?«
»Tue ich nicht«, sagte Tony errötend. »Wer sagt, dass ich sie schlage?«
»Wir haben Grund zu der Annahme«, fuhr Keenan fort, »dass Irina mehrfach so heftig geschlagen wurde, dass ihre Verletzungen es notwendig machten, sie im Waltham General Hospital behandeln zu lassen.«
»Ich wüsste gern«, sagte Richard Slattery und lehnte sich vor, wobei sein riesiger Ballonbauch über den Tischrand rieb, »ob ich einen Moment allein mit meinem Mandanten sprechen kann.«
»Nein«, rief Tony
Weitere Kostenlose Bücher