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Blankes Entsetzen

Blankes Entsetzen

Titel: Blankes Entsetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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für eine Frau zu riskieren, die zu jämmerlich ist, als dass sie zu leben verdient.«
    Novak starrte sie wieder ungläubig an; dann stand er auf. Seine Beine waren wackelig. »Wo bleibt der verdammte Krankenwagen?«
    »Aber vielleicht schaffen sie es ja beide.« Clare begann wieder vor und zurück zu wippen. »Vielleicht kracht der Fahrstuhl doch nicht runter. Und selbst wenn – wir haben es hier ja nicht mit der Höhe eines Wolkenkratzers zu tun. Sie werden wahrscheinlich überleben, falls das Stahlseil nicht reißt und das Stromkabel sie trifft.«
    »Der Strom im Fahrstuhl ist abgeschaltet«, sagte Novak.
    »Vielleicht«, sagte seine Frau. »Es sei denn, ich habe die Sicherung wieder reingedrückt, bevor ich gegangen bin.«

112.
    Keenan war gerade in der Lamb’s Conduit Street eingetroffen und suchte die Adresse der Novaks. Er hatte beschlossen, auf Nummer sicher zu gehen und Helens Ahnung zu folgen – allerdings alleine, denn er verspürte wenig Lust, sich dem Spott seiner Kollegen auszusetzen.
    Da war das Haus.
    Er fand die Apartment-Nummer und klingelte.
    Keine Antwort.
    Er klingelte bei einer anderen Nummer und bei noch einer.
    »Wer ist da?«, fragte eine Männerstimme.
    »Polizei«, sagte er. »Lassen Sie mich bitte herein. Nur ins Gebäude, nicht in Ihre Wohnung.«
    Nach einer kurzen Pause summte der Türöffner.
    Die Wohnung der Novaks befand sich im ersten Stock.
    Keenan klingelte und klopfte.
    Die Situation rechtfertigte es nicht, die Tür einzutreten.
    Er bückte sich, um durch den Briefkasten zu spähen und zu horchen.
    Nichts.

113.
    »Wir sollten die Feuerwehr holen«, sagte Lizzie. »Das ist das Sicherste.«
    »Das wollte ich ohnehin«, erklärte Allbeury.
    »Und sobald Sie mit denen gesprochen haben«, fügte Lizzie hinzu, »sollten wir einen Arzt rufen. Ich glaube, ich hab mir den linken Arm gebrochen.«
    »Warum haben Sie mir das nicht gesagt?« Kopf und Schultern des Anwalts tauchten wieder in der Fahrstuhltür auf. »Sie sagten doch, es gehe Ihnen gut.«
    »Ich war viel zu froh, Sie zu sehen«, sagte Lizzie und fühlte sich ziemlich töricht. »Ich hatte es vergessen.«
    »Ihr linker Arm?«, vergewisserte er sich. »Ich frage nur, damit ich Bescheid sagen kann, wenn ich anrufe.«
    »Und ein paar Finger«, sagte sie. »Clare hat sie in der Fahrstuhltür eingequetscht.«
    »Himmel«, sagte Allbeury und ging den Notarzt anrufen.
    Clare war verstummt. Sie lachte auch nicht mehr, saß nur still da, bis sie plötzlich zur Seite und auf die Bank kippte.
    »Clare.« Novak rückte wieder neben sie, tastete nach ihrem Handgelenk und fühlte ihren Puls. »Clare.«
    Er drehte sich zu den Restaurants hinter ihnen um, zu der hell erleuchteten All Bar One und der voll besetzten Front des Pont de la Tour und überlegte wieder, ob er Clare nach drinnen schaffen sollte.
    Ich beweg sie lieber nicht.
    Er kam zu einer Entscheidung, verfluchte den Rettungswagen – verfluchte auch Allbeury noch einmal – und zog seine Lederjacke von ihren Schultern. Dann hob er ihre Füße hoch, bettete sie richtig auf die Bank, wo sie zumindest von einer Seite durch eine große Pflanzenkiste geschützt war, und deckte sie mit seiner Jacke zu.
    »Ich hole Hilfe«, sagte er laut. »Wir können nicht länger warten.«
    Sie stöhnte leise.
    »Ich mach so schnell ich kann«, versprach er.
    Ohne den Tränen auf seinem Gesicht Beachtung zu schenken, eilte er zum nächstgelegenen Lokal und hinein in die Helligkeit, die Musik und die Normalität. Er suchte die lange Theke nach einem Telefon ab, sah aber keines.
    »Ich brauche Hilfe«, sagte er laut, zu allen in Hörweite.
    Viele Augen richteten sich auf ihn. Eine Kellnerin mit einem Tablett voller Flaschen und etliche Menschen, die auf braunen Ledersofas und an langen, schmalen Tischen saßen und tranken, sahen ihn erschreckt an.
    »Ich brauche ein Telefon .«
    »Sir.« Ein Kellner eilte zu ihm. »Wie kann ich ihnen helfen?«
    »Rufen Sie einen Krankenwagen.« Novak hatte das Verlangen, sich den jungen Mann zu schnappen und ihn am Kragen zu einem Telefon zu zerren. »Meine Frau ist draußen. Sie verliert unser Baby …«
    Dann, über die Musik und das Stimmengewirr hinweg, hörte er sie endlich.
    Die Sirene.

114.
    »Jetzt kann es nicht mehr lange dauern.«
    Allbeury saß am offenen Fahrstuhlschacht und versuchte, Lizzie aufzumuntern, doch sie fror immer mehr. Als er ihr ein paar Minuten zuvor seine Jacke zugeworfen hatte, hatte selbst dieses minimale Gewicht den Fahrstuhl ins

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