Blankes Entsetzen
zu lesen. »Nicht gerade viel.«
Der Drucker brummte bereits und spuckte eine Seite aus. Clare reichte sie Helen. »Möchten Sie, dass ich versuche, Mike zu erreichen?«
»Ja, bitte«, sagte Helen noch einmal. »So bald wie möglich.«
Sie trafen sich in einem Café in Queensway, in der Gegend, in die Novaks Auftrag ihn geführt hatte, und bestellten sich Mineralwasser. Helen saß einen Moment lang da und taxierte den Privatdetektiv. Leger gekleidet in Jeans, kragenlosem blauem Hemd und Lederjacke sah er nett aus, trotz der leicht angerempelten Nase.
»Ich wünschte, ich hätte davon gewusst«, sagte Novak. »Dann hätte ich mich selbstverständlich gemeldet.«
»Selbstverständlich«, sagte Helen.
Er bemerkte ihre Trockenheit. »Wurde darüber berichtet?«
»Nur in der Lokalpresse«, räumte Helen ein. »Und eine kurze Erwähnung in der Nachrichten-Zusammenfassung im Fernsehen, aber das war noch vor der Identifizierung.«
»Dann fühle ich mich ein bisschen weniger schuldig«, sagte Novak.
»Weshalb fühlen Sie sich überhaupt schuldig?«
»Weil ich weiß, wie wichtig es ist, zu Beginn einer solchen Untersuchung so viele Fakten wie möglich zusammenzutragen.« Leise lächelnd schüttelte er den Kopf. »Aus keinem anderen Grund.«
»Jetzt haben Sie Gelegenheit, es wieder gutzumachen«, sagte Helen.
»So gut ich nur kann«, sagte Novak.
Im vergangenen Sommer, erzählte er Helen, hatte ihn einer seiner Stammkunden gebeten, in seinem Auftrag Kontakt zu Lynne Bolsover aufzunehmen und ihr Hilfe anzubieten, falls sie diese wollte.
»Was für eine Hilfe?«, fragte Helen.
»Das kann ich Ihnen nicht sagen«, sagte Novak.
»Ich ermittle hier in einem Mordfall, Mr Novak.«
»Ich kann es Ihnen deshalb nicht sagen, weil ich es nicht weiß.« Er hielt inne. »Mein Klient ist Anwalt, aber ich weiß nicht, ob es dabei um einen offiziellen Fall ging. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich die Frau damals kontaktiert und ein Treffen mit ihr vereinbart habe – im Asda in Southgate, einem großen, anonymen Schuppen. Genau das, was sie wollte.«
»Und?«
»Und sehr wenig«, sagte Novak. »Ich sagte ihr, ich hätte erfahren, dass sie Probleme hätte, und dass mein Klient glaube, er könne ihr helfen, falls sie das wollte. Sie war sehr nervös, hatte große Angst, dass man uns zusammen sehen könnte – ich erinnere mich, wie sie in alle Richtungen schaute, bevor sie meine Karte nahm. Ein paar Tage später rief sie mich an und sagte, selbst wenn sie Hilfe wolle, habe sie kein Geld für irgendwelche Honorare. Ich antwortete, soweit ich wüsste, sei das kein Thema. Sie zögerte kurz; dann sagte sie, es sei äußerst wichtig, dass ihr Mann niemals davon erfahre, falls sie mit meinem Klienten sprechen sollte.«
Helen wartete eine Sekunde. »Und?«, fragte sie wieder.
»Ich sagte, das sei selbstverständlich, und gab ihr die Nummer meines Klienten. Soweit ich weiß, traf sie sich einmal mit ihm, aber es wurde nichts weiter daraus.« Novak nippte am Mineralwasser und blickte kurz aus dem Fenster; dann sah er wieder Helen an. »Ich habe sie als nette, aber sehr nervöse Frau in Erinnerung. Auf der linken Seite ihres Gesichts und Halses hatte sie einen großen blauen Fleck, den sie mit Make-up zu verdecken versuchte.«
»Haben Sie sie danach gefragt?«
»Nein.«
»Was für ein Anwalt ist Ihr Klient? Scheidungsanwalt?«
»Ja.«
»Hat er einen Namen?«
Novak lächelte. »Robin Allbeury.« Er hielt inne. »Ich habe ihn schon angerufen, bevor Sie gekommen sind. Er hält sich zurzeit in Brüssel auf, sagt aber, ich soll Ihnen alles erzählen, was ich weiß. Sämtliche weiteren Fragen wird er Ihnen gern beantworten, sobald er zurückkommt.«
»Wann wird das sein?« Leichte Gereiztheit breitete sich in ihr aus.
»Ende der Woche.« Novak nahm ihre nächste Frage vorweg. »Er sagte, er wäre Ihnen dankbar, wenn Sie bis dahin warten könnten, weil er möglicherweise auf seine Unterlagen zurückgreifen muss.«
»Ist es eine Angewohnheit von Mr Allbeury, Fremden in Not inoffizielle ›Hilfe‹ anzubieten? Oder tut er das nur bei Frauen?«
Mike Novak lächelte. »So ist es in der Tat.«
11.
Lizzie verbrachte den Rest der Nacht schlaflos. Voll angezogen in einem Trainingsanzug lag sie auf dem Bett und rang mit sich, ob sie fortgehen sollte oder nicht. Sie war nicht sicher, ob er in sein Ankleidezimmer gegangen war und die Wohnung verlassen hatte oder ob er auf sie wartete. Doch weder die Aussicht auf eine Begegnung mit Christopher
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