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Blankes Entsetzen

Blankes Entsetzen

Titel: Blankes Entsetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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Trauer bei einem normalen Todesfall richtete oft Schäden am Äußeren eines Menschen an, doch eine solch vernichtende Erfahrung, wie Pam Wakefield sie gemacht hatte, forderte einen noch drastischeren Tribut, körperlich wie seelisch. Pams braunes Haar war grauer als bei ihrer ersten Begegnung mit Helen, und unter ihren Augen – dunkelbraun, wie auch Lynnes gewesen waren – lagen tiefe Schatten; der Ausdruck darin wirkte gehetzt, und ihr Mund hatte etwas Verbissenes.
    »Ich habe etwas gefunden«, sagte sie.
    Helen Shipleys Puls setzte einen Schlag aus, als sie Pam gegenüber Platz nahm.
    »Es war in einer von Lynnes Taschen.« Pam Wakefield legte eine kleine Karte mit weißer Rückseite auf die Mitte des Tisches.
    »Darf ich?«, fragte Helen.
    »Natürlich. Deshalb habe ich sie mitgebracht.«
    Helen stand auf und lehnte sich vor, um die Karte besser sehen zu können, ohne sie zu berühren.
    »Ist schon gut«, sagte Pam Wakefield. »Es ist kein Beweisstück oder so.«
    Es war die Visitenkarte eines gewissen Michael Novak, Inhaber einer Firma namens Novak Investigations mit einer Adresse in New Smithfield, E.1 London.
    »Irgendeine Ahnung, wer Michael Novak ist?«
    »Gar keine. Wie ich schon sagte, ich habe die Karte in Lynnes Tasche gefunden – genau genommen war es gar nicht ihre, sondern eine von meinen Taschen, die sie sich irgendwann mal geborgt hatte.«
    Helen setzte sich wieder. »Lassen Sie sich ruhig Zeit, Mrs Wakefield.«
    Pam Wakefield schüttelte den Kopf. »Es gibt eigentlich nichts weiter zu sagen. Ich habe Lynne diese Einkaufstasche vor Ewigkeiten geliehen – es muss Monate her sein, genau weiß ich es nicht –, und ich habe sie auch öfter benutzt, seit ich sie wieder habe. Aber offenbar habe ich sie nie richtig ausgeleert, bis gestern Abend. Die Karte lag ganz unten auf dem Boden. Sie hatte sich in einer Naht in der Ecke festgeklemmt.« Sie schwieg kurz. »Ich rief bei Novak Investigations an – eine Detektei, das ist ja ziemlich offensichtlich. Die Frau, die ans Telefon ging, wollte wissen, warum ich fragte und woher ich ihre Nummer hätte, aber ich legte einfach auf. Das hätte ich nicht tun sollen.«
    »Warum nicht?«, sagte Helen.
    »Ich mag es nicht, wenn Leute, die sich verwählt haben, einfach auflegen. Ich entschuldige mich normalerweise für die Störung und lege dann erst auf.«
    »Können Sie sich einen Grund vorstellen, aus dem Lynne mit einem Privatdetektiv zu tun gehabt hätte?«, fragte Helen.
    »Nein. Außer dem Offensichtlichen.«
    »Was ist das Offensichtliche?« Helen wollte es von ihr hören.
    »Vielleicht hat Lynne John überprüfen lassen.«
    »Aber Sie sagten doch, Sie hielten es für unwahrscheinlich, dass sie John in dieser Hinsicht misstraut hat?«
    »Falls doch, hat sie es mir nie erzählt.« Pam Wakefield hielt inne. »Andererseits hat sie mir auch nie richtig erzählt, dass John sie schlug, jedenfalls nicht ausdrücklich. Ich wusste es einfach.«
    »Ja«, sagte Helen und wartete.
    »Vielleicht hat ihr auch einfach jemand diese Karte gegeben. Vielleicht hat sie nie dort angerufen.«
    »Vielleicht«, sagte Helen. »Ich werde auf jeden Fall versuchen, es herauszufinden.«
    »Also könnte die Karte Ihnen weiterhelfen?«
    Helen sah das Flehen in den Augen der anderen Frau.
    »Man kann nie wissen«, sagte sie vorsichtig, denn sie wollte keine falschen Hoffnungen wecken. »Manchmal sind es gerade die kleinen Dinge.«
    In einer Gegend, in der ansonsten viele bauliche Entwicklungen stattgefunden hatten, wirkte die New Smithfield – eine enge, dunkle Sackgasse mit Kopfsteinpflaster, in der ein leer stehendes Lagerhaus neben dem anderen stand – auf Helen vergessen und heruntergekommen.
    Da war es. Nummer neunundzwanzig. Rechts von der Eingangstür hing ein verrostetes Messingschild mit sechs Klingelknöpfen, daneben eine kleine Plakette – vergleichsweise gut poliert –, auf der Novak Investigations Ltd. stand.
    Helen betätigte die Klingel, hörte ein Summen und drückte gegen die Tür, die sich jedoch nur schwer und mit lautem Quietschen öffnen ließ. Der Eingang war schlecht beleuchtet und schmuddelig, und es gab einen breiten, altertümlich wirkenden Aufzug, der früher wahrscheinlich Fracht und Passagiere befördert hatte, jetzt aber nur noch ein Außer-Betrieb-Schild und ein großes Schloss vor seinem eisernen Tor trug.
    »Fünfter Stock«, erklang eine Frauenstimme von oben, klar und mit leicht schottischem Einschlag. »Tut mir Leid wegen der Treppe.«
    »Kein

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