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Blankes Entsetzen

Blankes Entsetzen

Titel: Blankes Entsetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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noch die andere Alternative, ziellos herumzufahren oder in ein Hotel zu ziehen, sagten ihr zu.
    Und ganz bestimmt konnte sie um diese Uhrzeit nicht in Marlow auftauchen, ohne Fragen der Kinder oder Gillys zu riskieren.
    Um sieben Uhr morgens traf sie Christopher in der Küche, in dunkelblauer Cordhose und weißem T-Shirt, den Kaffeebereiter und eine Tasse auf dem Tisch vor sich, ungelesene, gefaltete Zeitungen daneben. Als sie hereinkam, stand er auf und bot ihr Kaffee an, was sie ablehnte. Stattdessen füllte sie an der Spüle den Wasserkocher, um sich ihren eigenen zu kochen.
    Sag etwas.
    Sie stellte den Wasserkocher wieder auf seinen Sockel und schaltete ihn ein.
    Jetzt.
    »Ich kann damit nicht leben.«
    Christopher setzte sich. »O Gott.«
    »Du hast mir keine Wahl gelassen«, sagte Lizzie.
    »Bitte, ich …« Seine Augen füllten sich mit Tränen.
    »Du kannst so viel jammern, wie du willst.« Sie fühlte sich durch seine Schwäche bestätigt. »Das ändert nichts daran, was du mir angetan hast.«
    »Was habe ich dir denn angetan?« Er nahm seine Brille ab und ließ sie auf den Tisch fallen. Seine Augen waren jetzt starr vor Schreck. »Lizzie, Liebling, was habe ich getan?«
    »Das weißt du ganz genau.«
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf und umklammerte mit beiden Händen den Tischrand. »Nein.«
    Lizzies Angst veränderte sich, wuchs zu einer anderen Dimension an. Sie setzte sich ihm gegenüber an den Tisch. »Willst du behaupten, du kannst dich nicht erinnern, was du vor nicht einmal sechs Stunden mit mir angestellt hast?«
    Er zögerte, bevor er antwortete: »Nicht genau.«
    »Also erinnerst du dich doch?« Ekel erfüllte sie, und sie erhob sich.
    »Nein, warte, Lizzie! Du verstehst das nicht.«
    »Stimmt«, pflichtete sie ihm bei. »Da hast du Recht.«
    »Ich weiß nicht immer genau, was passiert, wenn ich mich so fühle.« Er schüttelte wieder den Kopf. »Ich meine, es ist kein Blackout, nur … die Einzelheiten.«
    »Zum Beispiel, dass du deine Hand um meinen Hals gelegt hast …«
    »Aber ich habe aufgehört.« Christopher fingerte an seiner Brille herum und setzte sie wieder auf.
    »Erst nachdem ich gedroht habe, die Polizei zu rufen.« Bei der Erinnerung daran wurde Lizzie übel. »Das war ein tätlicher Angriff, Christopher. Du hast mir wehgetan, und du hast mir Angst gemacht.«
    »Was soll ich sagen?«, fragte er hilflos. »Es tut mir schrecklich Leid. Bitte, glaub mir.«
    »Eine Entschuldigung reicht nicht«, sagte sie. »Diesmal nicht.« Sie atmete ein. »Ebenso wenig wie die Lüge, dass du dich nicht an Einzelheiten erinnerst.«
    »Du verstehst das nicht«, sagte er wieder. »Wie könntest du auch? Und du ahnst nicht mal, dass es auf gewisse Weise ein Kompliment ist.«
    »Kompliment?« Lizzie wurde schwindelig vor Empörung und Wut. »Du bist ja verrückt!«
    »Ich weiß, wie schwer zu verstehen ist, was ich meine. Wahrscheinlich kannst du es auch dann nicht akzeptieren, wenn ich es dir zu erklären versuche.«
    Von diesem Moment an sagte Lizzie kein Wort mehr. Sie saß wie versteinert am Küchentisch, und nur das Gefühl, irgendwie außerhalb ihres Ichs zu stehen – so, als wäre das alles gar nicht real –, war ihr eine kleine Hilfe, wie sie im Nachhinein feststellte.
    Es sei ein Kompliment, erklärte Christopher, weil es bedeutete, dass er endlich das tat, was er schon immer hatte tun wollen: ihr sein tiefstes Geheimnis anvertrauen.
    »Ich hatte schon befürchtet«, sagte er, »dass ich vielleicht nie in der Lage dazu wäre und dass ich keine Alternative hätte, als diese Bedürfnisse bei Fremden auszuleben.«
    »Bei Fremden?«, wiederholte Lizzie leise.
    »Prostituierte.« Er sah das Entsetzen auf ihrem Gesicht. »Lizzie, für mich war das ebenso abstoßend.«
    »Das bezweifle ich.« Ihre Stimme zitterte.
    »Wie kannst du denn etwas anderes glauben?«
    »Ich will gar nichts glauben.«
    Christopher griff über den Tisch und versuchte, ihre Hand zu nehmen, doch Lizzie riss sie weg und starrte ihren Mann an, als habe sie ihn noch nie zuvor richtig gesehen.
    »Ich habe es so sehr versucht«, sagte er. »Seit ich dir zum ersten Mal begegnet bin, habe ich getan, was ich konnte, damit dein Leben so glücklich und erfüllt ist wie möglich.« Er zuckte mit den Achseln, als wäre das, was er da sagte, ganz alltäglich. »Wahrscheinlich dachte ich bloß, du möchtest das Gleiche für mich tun.«
    »Und wie?« Lizzies Stimme klang plötzlich schrill. »Indem ich deine … Bedürfnisse

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