Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)
eines Tages selbst die beschwerliche Reise in die Sporzer Alpen antreten, um die eigentümliche Sprache der Bergbarbaren zu erfassen. Zu seinem Unglück erwiesen sich die Bergbarbaren jedoch als wenig kooperativ, seine vierzig Probesätze zu beantworten. Dies lag vor allem an ihrem Inhalt. So lautete, wie ich gelesen habe, Satz Nummer elf: »Ich schlage dich gleich mit dem Kochlöffel um die Ohren, du Affe.« Nun kannte man bei den Bergbarbaren weder die Phrase »um die Ohren«, noch hatten sie eine Vorstellung davon, was ein »Affe« sei. So verhielt es sich bei allen Sätzen, was den Doktor linguistikus sehr schmerzte, denn solch einen außergewöhnlichen Dialekt hatte er noch nie zuvor gehört. [11.4.] Ich habe recherchiert, daß jener Forscher leider nicht lang genug lebte, um die Formulierung jener linguistischen Hypothese zu hören, die ihn getröstet hätte: Besagt jene Hypothese nämlich, daß eine Volksgruppe nur fähig ist, das zu erdenken, was ihre Sprache formulieren kann, und umgekehrt. Deshalb scheiterten die Sätze. Vielleicht, so möchte ich zum Schluß folgern, ist die enge Sprache der Barbaren auch der Grund für ihr enges Denken, und andersherum.
Peppi versteht die Welt
Johannes A. Irrwein
Hauptstraße 7
3072 St. Peter am Anger
FC Bayern München AG
Säbener Straße 51–57
81547 München
Betreff: Freundschaftsspiel Einweihung
Flutlichtanlage
Sehr geehrte Funktionärinnen,
sehr geehrte Funktionäre,
Im Namen des FC St. Peter am Anger, eines der ersten alpinen Dorffußballvereine der Sporzer Alpen, darf ich Sie in meinem Amt als Schriftführer einladen, mit Ihrer Mannschaft in St. Peter am Anger zu Gast zu sein, um bei einem Freundschaftsspiel am Samstag, dem 4. 9. 2010, unsere neue, liebevoll erworbene und den überarbeiteten Standards des allgemeinen Fußballverbandes entsprechende Flutlichtanlage einzuweihen. Ermöglichen Sie Ihrer Mannschaft ein interessantes Testspiel und genießen Sie einen Herbsttag in der malerischen Atmosphäre eines der gastfreundlichsten, herzlichsten und bezauberndsten Bergdörfer der nord-südlichen, peripher-zentralen Alpen. Für Ihre Unterkunft stellen wir Ihnen helle Zimmer mit schönen sanitären Anlagen zur Verfügung.
Seien Sie unsere Gäste!
Mit herzlichen Grüßen
Johannes A. Irrwein
Zuverlässig wie der tägliche Sonnenaufgang hievte sich Opa Rettenstein noch vor dem ersten Hahnenschrei aus dem Bett. Sieben Mal war ihm in seinem Leben der Hahn zuvorgekommen, und sieben Mal hatte es daraufhin Hahn am Spieß gegeben. Nach bescheidener Katzenwäsche frühstückte er seinen Malzkaffee mit zweieinhalb Schnitten Adlitzbeerenmarmeladenbrot und tauschte Pyjama gegen Stallhose. Die viele Zeit, die Opa Rettenstein seit seiner Pensionierung zur Verfügung hatte, verbrachte er mit Schauen, ob alles in Ordnung ist . Der Familienbesitz der Rettensteins war flächenmäßig, aber auch was die Viehzahl anging, immer noch der größte des Dorfes. Bevor Opa Rettenstein in seinen weißen Jeep stieg, um bei Tempo fünfunddreißig zu überprüfen, ob alle Getreide- und Maisfelder noch an ihrem Platz waren, spazierte er eine Runde über den Hof. Der Bauernhof der Rettensteins war in den Berg gebaut, das Haupthaus war dreistöckig, jedes Stockwerk mit Balkon und Blumenkisten, die von Pelargonien überquollen. Oma Rettenstein züchtete ihre Lieblingsblumen sogar in Regentonnen, bis sie mit genügend Blaukorn Baumhöhe erreicht hatten. Opa Rettenstein nahm diese biologischen Wunder nur zur Kenntnis, wenn er beim Ausparken einen der Stöcke umnietete. Er gab es zwar vor niemandem zu, doch der graue Star beeinträchtigte die Sehleistung seines linken Auges. Sein Morgenspaziergang führte Opa Rettenstein durch die Kuhställe und in die Heuscheune, die durch einen Gang mit den Schweinekoben verbunden war. Als Opa Rettenstein das metallene Tor aufschob, fiel das Licht auf einen Balg kleiner Kätzchen, die ineinander verbissen im Stroh tollten. Die Murli hatte schon wieder fünf auf einmal geworfen, und Opa Rettenstein hatte mindestens vier davon ertränken wollen, doch Maria hatte darauf bestanden, alle leben zu lassen. Seit ihrer Schwangerschaft kam zu Opa Rettensteins großem Ärger auch kein Kalbfleisch, kein Spanferkel und kein Lamm mehr auf den Tisch – nicht nur die Katzen, sondern alle Jungtiere standen unter Marias Schutz. Opa Rettenstein schüttelte den Kopf und stampfte laut auf dem Beton des Heuschuppens auf, bis die Katzenkinder erschrocken
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