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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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auseinanderstoben. Der alte Mann grinste und inspizierte die Kotflügel des Traktors. Dem Stallburschen, der den ersten Kratzer hineinmachte, hatte er geschworen, persönlich an den Knöcheln über die Jauchegrube zu hängen. Vorbei an den Einstellplätzen der Mähdrescher und Heuanhänger ging er schließlich in den Hintergarten. Die dortigen Pelargonien waren größer als die siebenjährigen Obstbäume und hatten so dicke Stämme, dass sie von einbetonierten Stangen gestützt werden mussten. Dahinter lag die Spielwiese brach wie ein altes Schlachtfeld. Günther Pflicker hatte den Auftrag bekommen, dort ein Spielgerüst für die Zwillinge zu bauen. Er hatte bisher jedoch nur das Holz herbeigeschafft, weder Querlatten noch Stehpfeiler waren zurechtgeschnitten, und schändlich für einen Heimwerker lag das Werkzeug lieblos auf der nassen Wiese. Opa Rettenstein hakte die Daumen in die Hosenträger und marschierte zur Inspektion. Kaum näherte er sich aber der Grundstücksgrenze, entdeckte er ein noch größeres Ärgernis. Mit Zornesfalte postierte sich Opa Rettenstein am Gartenzaun und sah sich die Felder zwischen dem Hof und dem Waldrand des Osthangwaldes an: Gut ein Drittel der freien Fläche war umgegraben, wie nach einer Streubombenexplosion. Überall lagen Erdklumpen und Grasbüschel herum, und Opa Rettenstein, Obmann des St.-Petri-Jägerbundes, erkannte sofort, dass dort Wildschweine gewütet hatten auf der Suche nach Engerlingen, Wurzeln, Käfern, Würmern und Schnecken. Es war Anfang August, die Frischlinge waren zu stämmigen Rackern herangewachsen, und wenn die Sau so weit in bewohntes Gebiet vorgestoßen war, konnte das nur bedeuten, dass die Nahrung im Wald knapp wurde. Opa Rettenstein war wenig verwundert – es hatte einen milden Winter gegeben, und die Luchse waren in höhere Lagen gezogen. Er rieb sich den Bauch, während ihm die Spucke im Mund zusammenlief:
    »Wartets nur, es Biester«, murmelte er in Richtung des Waldes, »bald gibt’s Wildschweinschinken.«
    »Opa, bist narrisch?«, fragte Maria Rettenstein ihren Großvater bei der Abendjause, nachdem er erwähnt hatte, am nächsten Tag eine Treibjagd veranstalten zu wollen. In Rücksicht auf Maria hatte er dies ohne einen Trinkspruch auf Waidmannsheil getan, dennoch ließ Maria ihre Gabel so vorwurfsvoll auf den Teller fallen, dass dieser einen Sprung bekam.
    »Maria, wir schiaßn de Viecher nur dir zuliebe, wegen deine Butzerl. Oder stell da vor, wos passiert, wenn de im Gartn spüln, und de Sau greift an! Woaßt do, wenn wir de Rotten heuer net daschiaßn, sand de auf s’Joahr nu vül mehr, und dann werdn’s aggressiv.«
    »Ja dann schiaßts es einzeln, schiaßts de Eber und de alten Viecher, owa bei da Treibjagd sterben vül zu vüle Ferkln! Oder wos is, wenns es de Muttersau dawischts, und de Ferkln werden Waisenferkl!« Die roten Verfärbungen auf Marias Wangen hatten sich bis zu ihrer Stirn ausgedehnt. Wie Tintenkleckse auf einem Taschentuch wuchsen sie und leuchteten in derselben Nuance wie die Jausentomaten im Gemüsekorb.
    »Maria, des sand Wildsau, kane Menschen«, sagte Vater Rettenstein und versuchte, seine Tochter in sanftem Tonfall zu beruhigen.
    Maria beobachtete, wie der Vater seine Barthaare entlangfuhr. Bei Toni Rettenstein war diese Geste kein Zeichen des Nachdenkens, sondern bedeutete Is halt so . Genau in derselben Is-halt-so- Art hatte er an jenem Abend seinen Bart gestreichelt, an dem sie heulend gestanden hatte, schwanger zu sein. Opa Rettenstein schmierte sich Grammelschmalz auf eine dicke Schwarzbrotscheibe und fischte mit der Messerspitze einen Packen Zwiebelringe von der Tischmitte. Maria verspürte einerseits Lust auf Zwiebelringe mit Gurken und flüssiger Schokolade, andererseits merkte sie, dass auch Opa Rettenstein denselben ruhigen Gesichtsausdruck hatte wie damals, als sie ihre Schwangerschaft verkündet hatte. Doch bei Opa Rettenstein war es weniger ein Is halt so als eine Zufriedenheit, die sich zu verstecken suchte, ein heimlicher Triumph. Und zum ersten Mal hatte Maria das Gefühl, in ihrer Familie sei etwas faul. Sie konnte sich nicht erklären, wieso, aber plötzlich verspürte sie Widerwillen, sich wie immer dem Wunsch der Familie zu beugen. Es war die Familie gewesen, der zuliebe sie Kellnerin gelernt hatte, obwohl sie eigentlich St.   Peters erste Tischlerin hatte werden wollen. Der Familie zuliebe hatte sie sich von Peppi getrennt, der Familie zuliebe hatte sie sich auf Günther eingelassen, und der

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