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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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offn, und er hat ka Hauberl auf, kriegt er Ohrnentzündungen, dass’s eam s’Schmalz nur so aussitreibt.«
    Ilse wischte sich eine Locke aus der Stirn.
    »Vielleicht fütterst eam falsch?«, sagte Edeltraud Parseier, die als Tochter des Lebensmittelgreißlers Hochschwab der Überzeugung war, über Ernährung besser als alle anderen Mütter Bescheid zu wissen. Johannes heulte lauter. Das hellblaue Strickjäckchen ließ ihn blass aussehen, und nicht einmal das Weinen vermochte es, etwas Röte auf seine Backen zu zaubern. Angelikas zweiter Sohn Robert spielte nur wenige Meter entfernt im Sand. Er war zwar nur ein paar Tage älter als Johannes, überragte ihn jedoch um einen drei Viertel Kopf.
    »Hast scho amoi versucht, den Ausschlag auf seim Popscherl mit an Ringelblumenöl einz’schmiern?«, fragte Edeltraud Parseier weiter.
    »Und wegen dera Appetitlosigkeit solltest eam an Schafgarbentee mit a bisserl am Kümmel machn, s’wirkt Wunder, wirst sehn.«
    Hilde Wildstrubel nickte gutmütig, Marianne Rettenstein streichelte Ilses Schulter, und als wäre ein Damm gebrochen, sprudelten Hausrezepte gegen dieses und jenes aus den Müttern heraus. Ilse konnte kaum zuhören, geschweige denn sich merken, ob Leinsamen mit oder ohne Honig, und Wacholderbeeren im Tee oder getrocknet. Sie wollte die Freundinnen nicht unterbrechen, doch Ilse wusste, dass die Hausmittel wirkungslos waren. Außer Karottenbrei und Apfelmus verweigerte Johannes die meisten Speisen. Wenn sie Glück hatte, behielt er eine Banane bei sich. Rund um Ilse entbrannte eine Diskussion darüber, ob man Schafgarbentee fünf oder sechs Minuten ziehen lassen sollte, und währenddessen beruhigte sich das Kind. Als langweilten ihn die Frauen, sanken Johannes’ Augenlider hinab. Ilse deutete auf den Kinderwagen, und mit gedämpften Stimmen über die heilende Wirkung von Roggenbrei diskutierend, ließen die Frauen Ilse wieder allein und gingen zurück in den Versammlungsraum.
    Vor Kurzem hatten die Irrweins einen neuen Kinderwagen gekauft, dessen Sitzschale in die Welt anstatt zu den schiebenden Eltern blickte. Im Dorf war er der einzige Wagen solcher Bauart. Kinderwagen wurden für gewöhnlich unter Freundinnen weitergegeben oder am Pfarrflohmarkt verkauft, solange sie fahrbar waren. Doch aus jedem in St.   Peter üblichen Modell mit Blick auf die Eltern hatte sich der kleine Johannes strampelnd entwunden. Es schien, als wollte er seine Umgebung nicht aus den Augen lassen.
    Ilse hutschte und hutschte den Kinderwagen, aber zur Gänze schloss ihr Sohn seine Augen nicht. Ilse schrak schließlich aus ihren Gedanken an Ringelblüten und Roggenmehl auf, als Frau Moni sich neben sie auf einen der Stühle setzte, als wäre nun die Gartensaison eröffnet. Die Sonne stand weit oben und schien der Kaffeehausmatronin ins Gesicht. Frau Moni war die braunste Frau von ganz St.   Peter am Anger, nicht jedoch weil sie sich so viel draußen aufhielt, sondern wegen des Solariums in ihrem Keller. Das Café war der einzige Ort im Dorf, an dem die Hausfrauen ihrem Alltag entfliehen und sich mit Karamellsirup im Caffè Latte mondän fühlen konnten, und lief daher so gut, dass es genug Geld für allerhand Spielereien abwarf, die im Dorf einzigartig waren. Frau Moni besaß sogar eine Trockenhaube, unter der sie an Regentagen ihre Malteserhündin Puppi II trocknete, die das Café bewachte und jeden Gast anbellte, seit Puppi I eines Nachts geglaubt hatte, im Kampf gegen einen ausgewachsenen Rotfuchs eine Chance zu haben.
    »Trink des.«
    Frau Moni reichte Ilse ein Schnapsglas. Ilse trank lieber Liköre, doch ohne zu zögern kippte sie das scharfe Zeug hinunter. Frau Moni sprach nie viel, auch mit ihren Gästen nicht. Sie pflegte ihre Besucher in Ruhe zu lassen, und wenn man etwas wollte, musste man zu ihr an die Schank kommen. Der Wirt Mandling, der nebenan den zweiten Gastronomiebetrieb des Dorfes führte, war das genaue Gegenteil. Kaum näherte sich der Inhalt eines Bierglases dem Boden, stand er am Tisch und fragte, was er als Nächstes bringen solle, und dennoch brachte das Wirtshaus nicht so viel Geld ein wie das Café. Frau Moni betrachtete den kleinen, mageren Johannes und schüttelte den Kopf.
    »Geh mit deim Kind zum Doktor. Dei Vata tät si g’freun, und für dei Kind wär’s s’Beste. Ilse, du woaßt jo selbst, dass des, wos de Gansln dazähln, so liab se sand, a nur Gegacker is. Wenn a Kind krank is, braucht’s an Arzt, kan Haferbrei.«
    Nach diesen Worten stand sie auf

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