Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Titel: Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gsella
Vom Netzwerk:
Fahrer drehte sich um. »Okay.«
    Es war George Harrison.

AUS DEM NOTIZBLOCK III
    Dumme Ausrede
    Vor meiner Wohnung stand ein Mann und sprach: »Guten Tag, Sie besitzen einen Vorwerk-Staubsauger?«
    »Nein«, antwortete ich, »einen Sperrmüll-Hoover; in die Jahre gekommen, tobt und tost er zwar gewaltig, aber saugen tut er wie ’ne Eins.«
    »Kann ich ihn mal sehen?«
    »Gern.«
    Doch auf dem Weg zum Hoover überfiel mich eine wilde Schamangst bei der Vorstellung, einem wildfremden Menschen meinen Sauger hinhalten zu müssen. Selbst wenn ein netter Nachbar eines Tages klingelte und sagte: »Guten Tag. Zeigen Sie mir auf der Stelle Ihren Esstisch!«, empfände ich Furcht vor Tadel und werweiß auch Strafkolonie oder Hinrichtung. »Aha. Das soll also Ihr Esstisch sein! In-te-res-sant!« Mein Interieur ist nicht das repräsentativste, es riecht nach interesseloser Schlampigkeit, hier führt die große Marke Scheißegal ein letztes Regiment! Darum fürchte ich schon lange, eines Tages von Hütern des Geschmacks geortet, zum Fall befragt und von einer auf Design spezialisierten Killertruppe in die Todeszelle manövriert zu werden. Der Islam kennt Revolutionswächter; oft habe ich viel mehr Angst vor Konsumwächtern, hu.
    So hielt ich mitten auf dem Weg zum Hoover inne, machte kehrt und sprach zum Vorwerk-Mann: »Huch, mein Staubsauger ist weg. Auf Wiedersehen.«
    Auch komisch: Totgehen müssen ich und du, davor ist Krach, danach ist Ruh’. Anschließend gibt’s vier Möglichkeiten: a) Verbrennung, b) Verstreuung über Meer oder Land, c) Organausweidung für die Johanniter-Unfallhilfe und schließlich d) christliches Vergraben. Varianten a) und b) werden häufig kombiniert, während a) und c) sich spinnefeind sind. »Pulver nehmen wir nicht«, steht als Motto überm Eingang aller führenden Organbanken, und dort steht es mit Recht. Ein Toter kann nicht beides haben: Gaukeln und Schweben im Winde und gleichzeitig ein gutes Gewissen gegenüber Niereninsuffizienten.
    Fund
    »Brrr: Schnee und Eis und Kälte sind der / Klimacharakter von dem Winter«: Kürzlich entdeckte ich’s in meinem 1979er Tagebuch wieder, ein Hinweis mag sein auf einen frühvollendeten Sonderhammer meinerseits bzw. fatal spät warmgelaufenes Hirnkastl, ich war ja damals längst fast zweiundzwanzig – andererseits dieses verzweifelte und hierin wiederum überraschend geglückte Ringen um die Form, immerhin sind’s, man glaubt’s erst gar nicht, zwei akkurate Neunsilber, na ja, so war’s halt, danke fürs Lesen.
    Drei Demütigungen
    Demütigend an einem nicht sehr kürzlichen Motorradtrip mit Braut über Belgien runter nach Südfrankreich war nicht nur die Tatsache, dass längst nach Sonnenuntergang, es war wohl gegen elf, die unter uns befindliche Autobahn plötzlich ihre Existenz einzog und wir rund einen Meter in die dunkle Tiefe sackten, bevor ein spürbar aus Geröll und Sand bestehender Ersatzbelag uns zwang, die Reisegeschwindigkeit von über hundert km/h augenblicks auf deutlich unter zwölf zu drosseln; war nicht nur die Tatsache, dass wir dann an Ort und Stelle ermüdeten und abstiegen und uns neben der Geröllbahn schlafen legten, wobei wir, aus Angst vor Belgiern, Bären und Einbrechern, weder Lederkombi noch auch Helm ablegten, sondern wie herabgefallene Marsmenschen dalagen und mählich wegschlummerten – nein, demütigend war vor allem die Tatsache, dass wir am nächsten Tag die Borderline-Autobahn entschlossen zurückfuhren und tatsächlich ein etwa baumhohes Baustellenwarn- und Durchfahrtsverbotsschild entdeckten und aber späterhin, es ging nun in die Berge, immer öfter von Fahrradfahrern überholt wurden! Ganzen Fahrradbelgierfamilien! Wie demütigend! Im ersten Gang! Gut: Der Spuk legte sich, als die erwähnte Braut und Sozia dann einfach abstieg und etwas tat, was ich in meiner langen Motorradfahrerlaufbahn nie getan hatte, nämlich Öl ins Kraftrad¸ woraufhin wir die Radfahrer dann auch bald wieder ein- und sogar feixend überholten – aber na so was.

BLAU UNTER SCHWARZEN
    Später schloss ich meinen Briefkasten auf, nahm eine Faltpostkarte heraus und las:
    »Ausstellungseröffnung: Wachsende Ungeduld der Dimensionen – Bilder und Objekte von Edgar H. Harr. Sie und Ihre Freunde sind herzlich eingeladen. Café Kulturbühne, Sonntag, 11.00 Uhr.«
    Es nieselte, als ich mich an jenem Sonntagmorgen zum Café aufmachte. Aber weil der Weg kurz, mein Gang mannhaft und stark, stand ich nach kaum zwei Minuten im Foyer der

Weitere Kostenlose Bücher