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Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Titel: Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gsella
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Druckluftpumpe und zehn bis elf Atü zum Platzen bringt, so deutlich verraten versteckte Tagebucheintragungen eine andere, eine zutiefst christliche Laura: »Wenn dieser Affenarsch von Hurenbock noch einmal in die Hose macht, verfüttere ich ihn an die Leguane«, diktiert sie im Jahre 1995, einen Tag nach der Einlösung des Gouverneur-Gutscheins, ihrem Lieblingsbutler, der seine Mitwisserschaft mit einem bizzaren Tode krönt: Unter zehn Atü haucht der eilfertige Tutsi, in ein riesiges Eichhörnchenfell gesteckt, sein Leben aus.
    Unterdessen weiß sich Doubleyou am Ziel. Wie einst sein Vater ist er Gouverneur von Texas, wie einst sein Vater gilt George W. als Hoffnungsträger von bibeltreuen Methodisten und republikanischer Partei, wie einst sein Vater verdient er Millionen im Ölgeschäft. Und doch lässt George W., am 20. April 1996 auf einem Familienfest zu Ehren von Führers Geburtstag, seinen alten und herzkranken Vater von einer gedungenen Horde psychotischer Türsteher vergewaltigen.
    »Why?«: So fragt am nächsten Tag in übergroßen Lettern die Titelseite der New York Times . Eine Antwort suchen die Leser, sucht ganz Amerika zu jener Zeit vergeblich. Auch die sonst eher verlässlichen Familienarchive schweigen zu diesem Vorfall auf so beredte Weise, dass wohl in der Tat von einem tieferen Zerwürfnis ausgegangen werden muss. Biografen halten diverse Deutungen bereit: Dem Sohn sei aufgefallen, dass die Farm gar nicht echt ist; späte Rache für die verweigerte Liebe nach Verspeisung des Zwillings; Enttäuschung darüber, dass nach dem vom Vater erdachten Golfkrieg die Ölpreise zwar stiegen, aber quälend langsam; die sprichwörtliche Impulsivität des klinisch hochschwachsinnigen Filius. Doch so klug diese Interpretationen auch Aspekte beleuchten mögen, sie vergessen den ausgeprägten Machterhaltungstrieb des zeitlebens Inkontinenten. Einen wichtigen Hinweis liefert hier wiederum Lauras Tagebuch. Unterm Datum »4/22/96« liest man, seltsam kleingedruckt: »Vorgestern Grillsause. Der arme Schwiegerpapa von sechs Monstern praktisch zu Tode gebumst. Heute 400 Nigger in die Todeszelle eingeliefert, darunter eine Krabbelgruppe.«
    George W. hatte, wenn auch vage, mitbekommen, wie sein Vater, der legendäre Marineflieger, die Präsidentschaftswahlen 1992 gegen den demokratischen Vietnam-Drückeberger Clinton verlor. Er hatte, wenn auch vage, mitbekommen, dass die amerikanischen Elendsheere, Billigarbeiter, Latinos, zumal aber die Schwarzen, durchweg demokratisch wählten. Im Todestrakt seines Huntsviller Gefängnisses hatte er recht deutlich mitbekommen, dass Landsleute, denen man Heizöl Marke Bush in Hals und Venen spritzt, wohl schon noch mal ihr Kreuzchen machen, aber nicht auf dem Stimmzettel – eine Strategie der kleinen Nadelstiche. Knapp zehntausend solcher Auftritte schmücken Doubleyous erstes Amtsjahr 1996; nach Einführung einer gepfefferten Sondersteuer auf Gnadengesuche sollte sich die Quote schnell auf jährlich etwa dreißigtausend erhöhen.
    Auf diese Weise kommen den USA lange vor Bushs erstem Präsidentenwahlgang rund hundertzwanzigtausend schwarze Wahlberechtigte abhanden. Kein Wunder, dass selbst der politische Gegner das taktische Gespür des Spätentwicklers neidlos anerkennt. Allerdings melden sich dann bald auch Stimmen der Kritik. Psychologen weisen darauf hin, dass gerade die dauernde Wiederholung des Fötusmordtraumas einer wirklichen Heilung des Kandidaten im Wege stehe. Hinterbliebenenverbände ihrerseits beschwören die Gefahr von Justizirrtümern: Die bis zu fünfminütigen Verhandlungsmarathons in Abwesenheit von Verteidigern und Angeklagten strapazierten die Geduld der meist greisen Schöffen zumal dann, wenn dringende Ku-Klux-Klan-Termine auf sie warteten.
    So lässt Doubleyou, im Sommer seines letzten Präsidentenjahres, u. a. einen siebenundzwanzigjährigen Schwarzen spritzen. Der laut dreier Gutachten schwerstdebile Rapper hatte im Juni eine Politesse geheiratet und war dann abends mit ihr essen gegangen, Cheeseburger, große Cola, diese Richtung. Bezahlen wollte er nebst Essen versehentlich nur eine kleine Cola. Im Prozess wurden mehrere entlastende Indizien außer Acht gelassen, und in der Tat ergab dann die Obduktion des Parteiausweises: Der Mann war Republikaner.

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