Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I
dachte Stoiber und sagte es wohl auch, »aber hallo erst mal! I am wie gesagt Stoiber. Edmund, the bayrische Ministerpräsident und mit Abstand geeignetste der drei kurrenten Kanzlerkandidaten der Bundesrepublik Deutschland, nachdem sowohl Angela Merkel als auch CDU -Fraktionschef Friedrich Merz eklatante Fehler begingen; ich sage hier nur: das Schröder-Verbrecherplakat, das Ausscheren einiger CDU -Ministerpräsidenten in der Rentenabstimmung im Bundestag or, last but not least …«
Dass sie sich ihm entwand, registrierte Stoiber resigniert und sah wie hinter Nebel zu, wie die Mädels sich meereinwärts orientierten und sichtlich vor ihm abhauten, tjaja, lachte er traurig und zog an seiner Samson Halfzware, er war es wohl zu gierig angegangen! Hatte, politisch unklug, falsche Signale versendet.
Und war er überhaupt zum Kinderficken hier? Auch, dachte Stoiber (59), aber vor allem: peripher. Vielmehr wollte er sein Zentrum finden, als Anonymus seine zerebrale Mitte kennenlernen und kucken, ob er, Stoiber, sich wirklich schon 2002 zur Kanzlerwahl stellen sollte versus diese beiden CDU -Totalversager! Oder, mit besseren Aussichten, 2006.
Blau blinzte Morgenwärme ins Apartment. Knallbunte Spatzen tirilierten, Palmen tanzten zwischen Meer und Fenster. Stoiber erbrach elf Bier und eine Packung Samson Halfzware.
Inkognito kotzte Stoiber den Vorabend ins Klo.
Außer einer fünfzigjährigen grünweißen Puma-Turnhose zog er dann nichts weiter unter seinen roten Citybag und kroch durch weiße schmale Gassen Richtung Strandcafé. Der Afrolook, brummte er und orderte sechs Vino blanco, kroch juckend in sein Hirn und war wohl überhaupt Quatsch gewesen. Nun aber hatte er den Mist am Hals; der freilich schneidig ausschaute, glaubte Stoiber versöhnt, folgte eine Weile absent den gleitenden Bewegungen planschender Blumenmädchen und sprach die letzten Umfragequoten leise aus dem Stegreif: 24.3.2000: 48 Prozent für Merkel als Kanzler, 28 für ihn, Stoiber – 28.8.2000: nur noch 28 Prozent für Merkel – 10.1.2001: er 43 Prozent, aber doch wieder 44 für das weinerliche Ostkalb. Hm.
Nach weiteren drei Weinen gähnte gelbes Mittagslicht. Ein Paraglider, erschaute Stoiber sonnenwarm und lehnte sich samt neuntem Weinglas sanft zurück, kam von der Felsküste herangeweht, drehte Pirouetten und lederte dann krachend gegen die hüfthohe Strandmauer.
Hoffentlich kein Beinbruch, hoffte Stoiber wundersam empathisch, krümelte zum wiederholten Male Superskunk in seine Samson und vergab Minuten später auch gleich jenen zwölf Mitarbeitern seiner Staatskanzlei-Online-Initiative »Laptop und Lederhosen«, die man kürzlich beim regelmäßigen Surfen im Porno-Internet erwischt hatte.
Wofür lebt man, überlegte Stoiber und bullerte den süßen Rauch hoch himmelwärts, wenn nicht für Sex. »Die Lust als Inhalt des Lebens« – war’s nicht von Wilhelm Reich oder Konrad Adenauer?
Merkel will Kanzler werden, jetzt auch Arschloch Merz! Krampfhaft brachte sich Stoiber in Stellung. Alles kaputt machten sie durch ihre Dummheit, dachte Stoiber willentlich und zog den Hurzlmeier eilig aus dem Citybag. Zwei durchlöcherte Esel starren da vor Strunzblödheit, dachte Stoiber und fand mählich zum Thema, zum eigentlichen Anlass dieses herrlichen Gomeratrips. Einen Hundsdreck nach dem anderen bauten diese CDU -Vollkretins und desavouierten damit die Union als solche, ergo ihn. Sein Lebenswerk, überschlug er die Faktenlage und ward von einem nackten Flammenwerferhippie aber wiederum um ein Haar abgelenkt, machten diese Ochsen kaputt. – Na und?
»Noch mal cinco vino blanco, yes«, bestätigte er dem nachfragenden Kellner und mochte sich plötzlich vorstellen, diesem Latin Lover mal kostenlos einen zu blasen oder zwei – »and please one Aschenbecher, for the Haschisch, you know. I mean, in reality I’m blond, I’m Edmund Stoiber, not really Strauß – perhaps here you see the rechtmäßigen german chanzler of the future agrööö –«
Ein kapitaler Rülpser warf ihn aus der Bahn, dann fand er wieder Anschluss: »Dou you capito? Well! Prost!« Gegen seine Intention sprang Stoiber dann um halb zwei wie gestochen auf und galoppierte Richtung Gischt. Weißgelb stand die Sonne im Zenit und kochte. Das Wasser – herrlich kühl, dachte Stoiber und tauchte jauchzend unter. Aahh! Wonderful! Allein, es ging nicht richtig. Huch!, dachte Stoiber und lächelte buddhistisch, er war ja noch gar nicht im Meer. Wütend spuckte er den Sand aus und
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