Blau wie das Glück: Roman (German Edition)
dessen Gesicht einmal vertraut gewesen war.
»Ich konnte das Grab an ihm riechen, so frisch war er. Er war zu hungrig, um mich in den Hals zu beißen, deshalb ging er hier an die Schlagader. Das war der Fehler, den sie beide machten. Der Schmerz brachte mich zur Besinnung. Er ist unaussprechlich.«
Einen Moment lang schwieg sie. Larkin legte seine Finger auf die Narbe, als wollte er eine alte Wunde heilen, und sie musste um Fassung ringen. Sie wusste gar nicht mehr, wann sie zuletzt tröstend von jemandem berührt worden war.
»Na ja, auf jeden Fall bekam ich mein Kreuz zu fassen und stach es dem Bastard, der mich festhielt, direkt ins Auge. Himmel, der hat vielleicht geschrien. Der andere war so mit Fressen beschäftigt, dass er auf gar nichts geachtet hat. Er war leicht zu töten. Danach war es leicht mit ihnen.«
»Du warst doch noch ein Mädchen.«
»Nein. Ich war Dämonenjägerin, und ich war dumm.« Sie blickte Larkin an. »Wenn er mich in den Hals gebissen hätte, wäre ich tot gewesen. Und dann hätten wir diese Unterhaltung nicht führen können. Ich weiß noch, was ich empfand, als er auf mich zukam. Er war in dem guten, schwarzen Anzug beerdigt worden, den seine Mutter
für ihn ausgesucht hatte. Ich weiß, was diese Leute in den Höhlen empfinden. Wenn sie nicht gerettet werden können, ist der Tod besser als alles, was sie erwartet.«
Er legte seine Hand über ihr Handgelenk, sodass die Narbe nicht mehr zu sehen war. Die Zartheit seiner Berührung überraschte sie beide. »Hast du den Jungen geliebt?«
»Ja. Na ja, so wie man in diesem Alter eben liebt.« Sie hatte es beinahe vergessen, beinahe vergessen, wie traurig sie damals trotz der unsäglichen Schmerzen gewesen war. »Ihn und denjenigen, der ihn ermordet hatte, zu töten war das Einzige, was ich für ihn tun konnte.«
»Das hat dich mehr als das hier gekostet.« Larkin zog ihre Hand an seinen Mund und fuhr mit den Lippen über die Narbe. »Mehr als die brennenden Schmerzen.«
Und sie hatte auch beinahe vergessen, wie es war, wenn man verstanden wurde. »Vielleicht, aber es lehrte mich auch etwas Wichtiges. Du kannst nicht jeden retten.«
»Das ist eine traurige Lektion. Meinst du denn nicht, man sollte es wenigstens versuchen, auch wenn man es nicht kann?«
»So kann nur ein Amateur reden. Das ist kein Spiel oder Wettbewerb. Wenn dich hier jemand besiegt, dann stirbst du.«
»Nun, Cian ist nicht hier, um etwas zu dem Thema beizusteuern, aber möchtest du ewig leben?«
Sie stieß ein kurzes Lachen aus. »Zum Teufel, nein.«
An der einsamen Felsküste befanden sich einige Touristen, aber nicht so viele, wie Blair erwartet hatte. Die Aussicht war fantastisch, aber es gab wahrscheinlich auch noch andere Stellen am Meer mit einer ebenso spektakulären Aussicht, die leichter zu erreichen waren.
Sie parkten und nahmen die Waffen mit, die sie am leichtesten verbergen konnten. Wenn jemand ihr Schwert unter dem langen Ledermantel sehen wollte, musste er schon genau hinschauen, dachte Blair. Und was wollte er dann machen?
Prüfend schaute sie sich um.
Ein Paar im mittleren Alter war auf einen flachen Felsen unten an den Klippen geklettert und blickte aufs Meer – ohne zu ahnen, welcher Albtraum sich unter ihnen abspielte.
»Okay, wir müssen wohl herunterklettern. Das wird nass werden«, sagte sie und blickte zu den spitzen Felsen herunter, die aus dem Wasser aufragten. Sie warf den anderen einen Blick zu. »Schafft ihr das?«
Statt einer Antwort sprang Larkin über die niedrige Mauer. Sie wollte ihm noch hinterherrufen, er solle warten, aber er kletterte schon die Steilküste herunter.
Er verwandelte sich dabei zwar nicht in eine Eidechse, dachte sie, konnte aber klettern wie sie. Mut hatte er, das musste sie ihm lassen. Und er war gelenkig.
»Okay, Moira. Mach langsam. Wenn du ausrutschst, fängt dich dein Cousin sicher auf.« Als auch Moira über das Mäuerchen geklettert war, blickte Blair Glenna an.
»Ich bin noch nie an einer Steilwand geklettert«, murmelte Glenna. »Bis jetzt habe ich darin auch keinen Sinn gesehen. Aber irgendwann ist wahrscheinlich immer das erste Mal.«
»Es wird schon gutgehen.« Besorgt hielt Blair Moira im Auge, stellte jedoch erleichtert fest, dass sie genauso geschickt war wie ihr Vetter. »So steil ist der Abhang nicht. Es wird dich schon nicht umbringen.«
Dass sie sich jedoch durchaus die Knochen brechen konnten, erwähnte sie lieber nicht. Das war nicht nötig.
Hoyt und Glenna stiegen
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