Blau wie Schokolade
hätte sie nicht belangen können, weil sie Fakue gar nicht getötet hatte.
Und das wusste Rosvita.
In der Zwischenzeit hätten die Lopez heimlich die Stadt verlassen. Es hätte sie sowieso niemand verdächtigt. Rosvita hätte alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
Die Polizei hätte den Fall zu den Akten legen müssen: Der Prozess wäre wegen Mangels an Beweisen geplatzt; andere offensichtliche Verdächtige gab es ja nicht.
Verflucht, das war gerissen.
Dumm, aber gerissen.
Einfach raffiniert.
Ich würde mit Rosvita darüber sprechen müssen, wie wichtig es war, sich nicht mehr zu betrinken.
Ja, dieses Gespräch sollte so bald wie möglich stattfinden.
Mir war am liebsten, dass alles zwischen ihr, den Lopez und mir geheim blieb.
Ein unglaubliches Geheimnis, über das wir alle nie wieder sprechen würden.
Ich rieb mir das Gesicht. So langsam wurde ich der Geheimnisse ein wenig müde.
Wir waren im Ballsaal eines erstklassigen Hotels im Zentrum von Portland. Die Party nach der Wahl war in vollem Gange. Es gab zu essen und zu trinken, Ballons, Konfetti, Anstecker, dies und das. Jay, Charlie und Deidre, Ramon, Riley, Camellia, ich und eine Reihe anderer Leute saßen oben in einem kleinen Raum zusammen. Die Briefwahlstimmen waren eingetroffen, die Stimmzettel wurden ausgezählt, in einer guten halben Stunde würden die ersten Ergebnisse bekanntgegeben.
Die Atmosphäre war feierlich. Die vorherrschende Stimmung im Raum war Erleichterung. Dass es vorbei war. Wie auch immer es ausging, der Wahlkampf war vorüber.
Jay zog mich nach draußen auf den Balkon und sagte: »Das mit dem Frühstück morgen hast du doch nicht vergessen, oder?«
Natürlich hatte ich das nicht.
»Egal, ob wir gewinnen oder verlieren.« Er legte mir den Arm um die Taille. Die Sterne im Himmel zwinkerten mir zu.
»Wir essen Pfannkuchen, egal, wie’s ausgeht«, versicherte ich ihm.
Mir war egal, ob wir gesehen wurden. Ihm ebenfalls. Ich legte ihm die Arme um den Hals, drückte mich an ihn und küsste ihn mitten auf die Lippen. Er erwiderte den Kuss.
Her mit den Pfannkuchen! Wir würden sie in Sirup und Butter ertränken!
Ich hatte den Geschmack schon auf der Zunge.
Vor Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen im Fernsehen marschierten wir die Treppe hinunter, ich an Jays Seite. Alle begrüßten Jay mit dem erwarteten Gejohle und Geschrei. Mir flogen fast die Ohren ab. Er war höflich und nett und gab ungefähr sechstausend Leuten die Hand.
Wenige Minuten später verlas eine Nachrichtensprecherin mit großen Zähnen und rotem Haar die ersten Hochrechnungen: Jay Kendalls Sieg kam einem Erdrutsch gleich.
Um zehn Uhr gab sich Kory Mantel geschlagen. Jay ging aufs Podium und sprach zu Hunderten kreischender Zuhörer und einem Pulk von Presseleuten. Ich stand am Rande der Bühne hinter drei Reihen Mitarbeitern. Vom Scheinwerferlicht hatte ich genug.
Nach jedem Satz von Jay brach das Publikum in Begeisterungsstürme aus. Jay hätte verkünden können: »Heute werden wir unseren Heimatplaneten verlassen, da die Sonne auf die Erde zurast«, selbst dann hätten alle verzückt gejubelt.
»Ich möchte allen für ihre Unterstützung und ihr Engagement im Wahlkampf danken.« Blablabla. »Ich möchte mich bedanken bei …« Dann zählte er eine Reihe von Namen auf. Blablabla.
»Und als Letztes möchte ich meinem Wahlkampfmanager Charlie Mackey danken. Ohne ihn ständen wir nicht da, wo wir heute sind. Charlie ist …« Blablabla.
»Ganz herzlich bedanken möchte ich mich auch bei seiner Schwester, unserer unglaublichen Kommunikationschefin Jeanne Stewart.«
Und ich muss sagen, in dem Moment wäre mir fast das Trommelfell geplatzt. Jay legte den Arm um mich (das Bild würde am nächsten Morgen auf den Titelseiten erscheinen. Wieder ohne meine Schuhe. Mist!) »Jeanne hat diesem Wahlkampf Farbe und Power verliehen, nicht wahr?«
Alle lachten und johlten.
»Sie hat nicht nur die meisten Reden für mich geschrieben und den Kontakt zur Presse gehalten, sondern auch …«, er suchte nach den richtigen Worten, »interessante Stellungnahmen über den Wahlkampf abgegeben. Als sie vor zwei Wochen ins Zentrum der Aufmerksamkeit geriet, ging sie charmant und souverän mit den Anfeindungen um. Ich persönlich möchte mich bei ihr für all ihre Mühe und ihre Zeit bedanken und wünsche ihr für die Zukunft das Allerbeste. Morgen früh wird Ms Stewart zu einem neuen Abenteuer aufbrechen.« Blablabla. Mir entgingen nicht seine bedeutungsschweren
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