Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blau wie Schokolade

Blau wie Schokolade

Titel: Blau wie Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
Vom Netzwerk:
nicht mehr von dir, als dass du hin und wieder mal den Arsch hochbekommst, in den Garten gehst und mit ihr Rosen pflanzt.
Und das konntest du nicht tun?
Alles andere in deinem Leben war wichtiger, als deine Frau glücklich zu machen? In den gesamten fünfundzwanzig Jahren eurer Ehe?«
    Bradons Kopf hing so tief, dass ich dachte, er würde abfallen.
    »Ich habe momentan einen Klienten, der letzten Sonntag auf der Marquam Bridge stand und ins Wasser springen wollte. Die Polizei hat ihn vom Geländer geholt. Und weißt du, warum? Weil seine Frau ihn verlassen hat. Weißt du, warum sie ihn verlassen hat? Weil sie dachte, ihm liege nichts an ihr. Warum? Weil er selten mit ihr sprach, nie etwas mit ihr unternahm, ja, sie kaum kannte. Aber das wusste er nicht einmal. Er arbeitete rund um die Uhr, war ständig auf Geschäftsreise, und wenn er zu Hause war, arbeitete er weiter. Er glaubte, die Ehe laufe gut, alle wären glücklich, weil er so viel Geld verdiene. Wie konnte er so einen Blödsinn nur annehmen? Weil
er
glücklich war, also musste sie es auch sein. Ihm kam nie der Gedanke, dass sie sich einsam fühlten könnte, dass sie ihn und ihr Leben hasste. Ihm kam nie in den Sinn, dass sie ein eigenes Leben außerhalb der Ehe hatte. Aber jetzt ist sie glücklich. Sie hat einen Freund, der mit ihr spricht, der ihr zuhört und ihr zeigt, wie viel sie ihm bedeutet. Willst du so sein wie mein Brückenspringer, Bradon?«
    Bradons breite Schultern begannen zu beben. »Nein.«
    Alle schwiegen eine Weile, bis Bradon sich wieder im Griff hatte. »Meine Frau ist mein Lebenssinn. Der Grund, warum ich atme. Das war sie schon immer.«
    »Sie ist dein Lebenssinn, aber du hast dein Leben nicht ein Jota ändern wollen, um dieser Frau einen Gefallen zu tun? Herrgott nochmal, Bradon!«, rief Emmaline. Es ging wieder mit ihr durch. »Hast du dich mal gefragt, ob du auch
ihr
Lebenssinn bist? Hast du dich mal gefragt, ob du der Grund bist, dass
sie
atmet? Natürlich nicht. Hast du sie gefragt, ob sie
dich
noch liebt? Und wenn sie das bejaht, glaubst du dann wirklich, sie sagt die Wahrheit?«
    Bradon zog die Knie an die Brust wie ein Baby im Mutterleib.
    »Sieh mich an!«
    Bradons kahler Kopf fuhr hoch.
    »Du bist zufrieden so, wie es läuft. Deine Frau kümmert sich ums Haus und um die Kinder und den Garten. Sie kümmert sich um die Verwandten, um ihre und deine, von denen sie bestimmt einige nicht ausstehen kann. Jedes Jahr bringt sie euch das Weihnachtsfest ins Haus – das Christkind gibt es nämlich gar nicht, deine Frau bringt euch das Weihnachtsfest. Und dazu arbeitet sie noch Vollzeit als Krankenschwester. Sie kümmert sich um dich und um alle anderen. Du wirst die nächsten fünfundzwanzig Jahre damit verbringen, dich um
sie
zu kümmern,
sie
glücklich zu machen. Der Grund zu sein, warum
sie
atmet. Hast du das verstanden, Bradon? In deinem Leben wird es nicht mehr um
dich
gehen.«
    »Ich hab’s kapiert, Emmaline. Verstanden«, flüsterte Bradon.
    »Wirklich, du Egoist?«
    »Ja, wirklich. Ich kann meine Frau nicht verlieren. Das geht einfach nicht. Ich werde Rosen pflanzen.« Bradon wischte sich noch eine Träne aus dem Gesicht. Es ist so anrührend, wenn ein männlicher Mann wegen seiner Frau weint, wirklich.
    »Mit den Händen in der Erde zu arbeiten wird dich mit dem Urgrund des Lebens in Verbindung bringen, und das wiederum mit dem Frieden. Dann wirst du nicht mehr diese unangemessenen Wutausbrüche bekommen, mit Stühlen werfen und Tische umkippen und anschließend in der Zeitung landen.« Emmaline sah Bradon böse an. »Und was noch viel wichtiger ist, du wirst deiner Frau wieder näherkommen.«
    Zwei dicke Tränen tropften auf Bradons violettes Hemd.
    »Verbock es nicht, Bradon! Es hört sich an, als hättest du nur noch eine Chance bei deiner Frau. Eine einzige. Sei ein Mann und zieh es durch!«
    Ohne Vorwarnung stand Emmaline auf, fuhr mit ihrem straußengleichen Hals und kleinen Kopf zu mir herum und durchbohrte mich mit einem adlergleichen Blick. »Und du, Jeanne? Wie willst du deinen Zorn zerschmettern?«
    Ich wusste es nicht. Ich kam mir vor, als sei ich wieder in der Bastelecke und sähe zu, wie alle anderen Teilnehmer aus dem Nichts etwas erschufen. Ich konnte nicht denken. Beim besten Willen wollte mir nichts Neues, Gewagtes einfallen, das ich tun könnte. Ich war so langweilig. Ich hatte so lange in der Wirtschaft gearbeitet, dass ich nicht mehr wusste, wie man dachte oder fühlte, deshalb sagte ich einfach das Erste,

Weitere Kostenlose Bücher