Blau wie Schokolade
den Kerl, er ist das letzte Arschloch. Dumm wie Brot. Ich hab den schon mit Frauen gesehen, den einen Abend diese, den nächsten Abend eine andere. Versucht immer, mit Schwarzen Streit anzufangen, geht immer von ihm aus, er fängt immer an. Zweimal hat er mich schon dumm angequatscht, und zweimal hat er es bereut. Ich lass mich von keinem dumm anmachen, schon gar nicht von dem.«
Bradon nickte. Ich nickte.
»Du bist ein wirklich störrischer Klient, Soman«, verkündete Emmaline und stach mit ihrer Gabel in den Holztisch. »Hock deinen schwarzen Hintern jetzt hier auf den Stuhl und rück deine Perücke zurecht wie ein Mann, sonst lasse ich dich durchrasseln, und du musst den ganzen Kurs noch mal von vorne machen. Fliegst du gern herum wie ein Geier?«
Soman setzte sich hin. Wahrscheinlich war es die Vorstellung vom flatternden Geier, die ihn letztlich überzeugte.
Alles lief angenehm und friedlich weiter. Wir bestellten noch eine Runde und aßen wie ganz normale Menschen. Dann sagte Soman, er müsse mal zur Toilette, und war entwischt, bevor wir ihn aufhalten konnten. Ich ließ den Löffel fallen. In dem Moment wusste ich, dass wir erledigt waren.
Noch bevor Bradon aufspringen konnte, eilte Soman zur Toilette. Natürlich musste er dabei an der Theke und dem Mann mit dem Schweinegesicht vorbei. Und wie zu erwarten, setzte sich das Objekt von Somans Begierde genau in diesem Augenblick um. Die beiden wurden voneinander angezogen wie zwei Magnete.
Lauf weiter zur Toilette
, dachte ich,
Soman, lauf weiter, Junge, los, bitte
!
»Oh, Scheiße«, sagte Bradon.
Lauf weiter, Soman. Los, lauf weiter …
»Er vermasselt es«, sagte Emmaline und fuchtelte mit ihren weißen Armen herum. »Er ver-mas-selt es! Aus und vorbei! Soman hat den Kurs nicht bestanden!«
»Oh, Scheiße«, wiederholte Bradon.
Ich sah, wie der Footballer Soman von oben bis unten musterte. Er grinste anzüglich, und als Soman an ihm vorbeigehen wollte, streckte er die Hand aus, um Somans knackigen Hintern zu tätscheln.
Der Footballer raunte etwas aus dem Mundwinkel. Ich bin schon in genug Kneipen gewesen, um zu wissen, dass es zweideutig war und von Somans Körper handelte – nach Meinung des Footballers natürlich der Körper einer Frau mit besonders großen Brüsten. Soman wirbelte herum, sein hübsches Kleid schwang ihm um die Beine, und Bradon und ich sprangen auf und stürzten Soman zu Hilfe. Der Footballer war ein selbstgefälliger, eingebildeter Typ, genau die Sorte Mann, vor dem man seine Tochter warnen würde. Soman riss sich die Perücke vom Kopf, die Zöpfe fielen ihm auf die Schultern, und stürzte sich auf den Footballer, der vor Schreck ganz große Augen bekam. Dann schlug Soman zu.
Und so begann die Schlägerei.
Ungefähr zwanzig Minuten später wurde ich verhaftet.
Der Abend ging nicht angenehm aus. Emmaline war alles andere als zufrieden.
Das teilte sie mir mit, als wir in den Gefangenentransporter gesteckt wurden. Nur Bradon hatte sich schnell genug durch die Hintertür verdrückt. Wir wurden in den Polizeibezirk Portland-Zentrum verfrachtet.
Nein, Emmaline war nicht zufrieden. Ganz im Gegenteil.
Ich kann nicht behaupten, dass ich meinen Gefängnisaufenthalt genoss, aber er war eine wertvolle Erfahrung. Ich lernte, dass Polizeireviere lärmige, emotionsbeladene Orte sind. Ich lernte, dass es im Gefängnis bitterkalt ist, dass man sich dort einsam fühlt, wie ein Tier, das niemand mag und haben will. Ich lernte, dass die Mühlen der Verwaltung langsam mahlten und man von Glück sagen konnte, dass es für Leute wie mich aufgrund von Budgetkürzungen zu wenig Betten im Knast gab, sonst hätte ich nämlich dort bleiben müssen. Ich lernte, dass es beängstigende, böse Menschen gab, die aussahen, als würden sie schon seit längerer Zeit vergammeln und verfaulen. Außerdem lernte ich, dass es im Knast nach Angst roch, nach Kotze, Urin und Drogen und nach verschwitzten Menschen, die ihr Leben nicht mehr im Griff hatten.
Ich füllte die Papiere aus, und unter das Stichwort »Arbeitgeber«, schrieb ich »Jeanne Stewart, Werbung«. Ich hatte mein Bestes getan, nicht an Jay und den Wahlkampf zu denken, als ich dem Footballer auf den Rücken sprang, als ich mit gefesselten Händen zum Gruppentransporter stolperte und mich in der Zelle auf den Boden legte, aber jetzt konnte ich nicht mehr anders.
Ich hatte eine Heidenangst davor, was Jay sagen würde. Durfte ich hoffen, dass er nichts von dieser Episode erfuhr?
Bradon
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