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Blau wie Schokolade

Blau wie Schokolade

Titel: Blau wie Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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aus dem Schrank und mixte mir einen Drink in einem langen großen Glas.
    Mit zitternden Händen nahm ich es mit auf die Veranda. Der Fluss gluckste. In meinem Leben waren mehrere Probleme aufgetreten, die ich sondieren musste.
    Zuallererst fehlte mir meine Mutter mehr als mein eigenes Herz, wenn es nicht mehr da gewesen wäre.
    Zweitens redete Jay Kendall, der erste anständige Mann, den ich nach Johnny kennengelernt hatte, nicht mehr mit mir. Wahrscheinlich nie wieder, und ich konnte es ihm nicht mal übelnehmen. Wer wollte schon etwas mit einer Frau zu tun haben, die wegen einer Prügelei verhaftet wurde?
    Drittens hatte Rosvita, eine neue, wunderbare Freundin mit einer kleinen Schwäche für Keime und Krankheiten, den Migrantenschreck erledigt, und dessen Leiche weilte nun im Keller eines kleinen, verfallenen Hauses auf meinem Grundstück.
    Ich hob das Glas an die Lippen. Ich wollte mich betrinken.
    Nein, wirst du nicht
, sagte eine Stimme in meinem Kopf.
    Aber ein netter Schwips wird mein Leben erträglicher machen, erwiderte ich. Er wird dem Schmerz die Spitze nehmen, die wie ein Dolch in mein Herz sticht. Ich wünsche mir, dass alles ein bisschen verschwimmt.
    Du brauchst einen klaren Kopf
, sagte die Stimme. Ich nahm an, dass es meine Vernunft war, die sich nun endlich bemerkbar machte.
Du hast gesagt, dass du dich nicht mehr betrinken würdest.
    Ich will nicht mit dem Trinken aufhören. Ein Glas Alkohol ist ein guter Freund.
    Reiß dich zusammen, Jeanne
, sagte die Stimme.
Das geht jetzt schon seit zwölf Jahren so. Zwölf lange Jahre. Du musst versuchen, ohne Alkohol zu leben.
    Ich führte das Glas an die Lippen. Ich war so erpicht auf den Kahlua mit Sahne, dass ich hätte weinen können. Am liebsten hätte ich mich hineingelegt.
    Wenn ich nichts trinke, tun mir vielleicht wieder die Beine weh.
    Bitte! Du weißt, dass deine Beine wieder gesund sind. Sie tun nicht mehr weh.
    Aber mein kleines Baby ist nicht mehr da. Wenn ich nicht mehr trinke, muss ich vielleicht an die Kleine denken.
    Du denkst sowieso jeden Tag an sie, das weißt du genau
, sagte die Stimme.
Lass los, Jeanne. Lass die Vergangenheit los. Lass den Schmerz los. Hör auf, Sinnloses zu tun. Führe ein ehrliches, ein würdiges Leben.
    Ich will Johnny und Ally nicht loslassen.
    Das musst du auch nicht
, sagte die Stimme.
Johnny und Ally werden immer bei dir sein. Aber jetzt musst du den Mut haben, Frieden zu suchen.
    Frieden? Fast hätte ich gelacht.
    Ja, den Frieden.
    Ich stellte das Glas auf das Geländer und senkte den Kopf.
    Frieden.
    Na, gut. Ich würde den Mut haben, Frieden zu suchen. Den Mut, nicht mit dem Bronco ins Meer zu fahren. Den Mut, Rosvita und den Lopez zu helfen. Den Mut, wie ein Mensch aufrecht zu gehen.
    Ich kippte den Alkohol in einen Topf Geranien auf der Veranda.
    So. Wenigstens die Blumen konnten sich betrinken.
    Es war zwei Uhr morgens, als ich ins Bett krabbelte. Stocknüchtern.
     
    Durch prasselnden Regen fuhr ich nach Portland, wo ich mit meinem Bruder alle möglichen Wahlkampffragen besprach, die sofort erledigt werden mussten, am besten gestern. Ich bemühte mich, nicht die Fotos von Jay anzuschmachten.
    Er rief mehrmals an. Er musste in verschiedenen Städten vor verschiedenen Interessengruppen sprechen, und ich versorgte ihn mit entsprechenden Details über jede Stadt und jede Gruppe, damit seine Reden persönlicher waren. Jay war für die Schwerpunkte Gesundheitsversorgung, Bildung und Umwelt bekannt, und wir hielten uns relativ eng an diese Themen.
    Jedes Gespräch endete mit den Worten: »Danke, Jeanne.«
    »Gern geschehen, Gouverneur.«
    Dann folgte ein Zögern, ein aufgeladenes Schweigen, und er legte auf. Ich war nie diejenige, die das Gespräch beendete. Mit Mühe machte ich mich danach wieder an die Arbeit. Wenn ich einen besonders schlechten Tag hatte, verdrückte ich mich für zwanzig Minuten und kaufte mir ein neues Paar Schuhe. Bis jetzt hatte ich sechs Paar gekauft, die ich an die Frauen im Büro verschenkte. Mrs Ederson, mindestens achtzig Jahre alt, trug die Stöckelschuhe mit Zebramuster von da an jeden Tag zur Arbeit, und Camellia zog gerne die neuen roten Slingbacks zu ihrer scharfen Jeans an.
    Offenbar wollte ich die Schuhe zum ersten Mal in meinem Leben nicht selbst besitzen, sondern nur kaufen.
    Keine Ahnung, warum.
    Um neun Uhr fuhr ich schließlich zurück nach Weltana.
    Langsam und vorsichtig überquerte ich den Willamette River. Als von hinten ein Geländewagen von der Größe eines

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