Blau wie Schokolade
besprühen musste.
Ich nickte beiden Männern zu. »Das ist die beste Lösung, zumindest fürs Erste. Bradon, dein Haus ist mit Sicherheit toll, aber ihr habt fünf Kinder, und Soman, ich denke … wegen dem, was hier vor sich geht …« Ich sprach nicht weiter.
»Was soll das heißen?« Soman stützte die Hände in die Hüften, aber ich merkte, dass er verstand, worauf ich hinauswollte.
Bradon nickte. »Junge, du sollst ihr richtig den Hof machen. Wenn es ihr bessergeht, wenn sie wieder gesund ist. Du musst ihr Respekt erweisen. Du musst ihr zeigen, dass das keine kurzfristige Sache für dich ist, indem du als Freund für sie da bist, bis sie dir auf gleicher Augenhöhe als gleichwertige Partnerin entgegentreten kann.«
Zum ersten Mal in den vergangenen acht Minuten mischte sich nun Emmaline ein: »Dein Herz muss warten, bis Beckys Herz offen und stark ist. Im Moment ist es das nicht. Becky muss sich selbst finden. Sie muss ihre Dämonen bekämpfen, sie muss sich bewusst für sich entscheiden. Wenn wieder Freude in ihr ist, wenn sie wieder ganz bei sich ist, dann könnt ihr zusammen sein, Soman, aber nicht jetzt.«
Soman ließ die Arme hängen. »Ich hätte nichts gemacht. Gar nichts.«
»Das wissen wir«, sagte ich. Das wusste ich wirklich. Soman wollte Becky helfen, er wollte bei ihr sein. Er würde Becky voller Zärtlichkeit und Rücksicht behandeln.
Dennoch hatte Emmaline recht.
»Du kannst zu uns kommen und Becky besuchen, wann immer du willst, Soman«, sagte ich. »Wir freuen uns, wenn du kommst.«
Ich wusste, dass er dagegenhalten wollte, aber er riss sich zusammen. Ihm war klar, dass wir recht hatten. Und er wollte nur das Beste für Becky. Die Frau in ihm war ein sehr selbstloser Mensch.
»In Ordnung, Süße«, sagte er zu mir. »Aber ich komme zu euch nach Weltana, darauf kannst du deinen schmalen Arsch verwetten.«
Ich nahm ihn in den Arm. Er drückte mich fest. Seine Zöpfe rochen nach Vanilleshampoo.
Am Wochenende nach Beckys Entlassung aus dem Krankenhaus besuchten Soman, Emmaline, Bradon und Olivia uns gemeinsam in Weltana. Wir gingen ins Opera Man’s Café und aßen stapelweise Pfannkuchen. Eine Woche später kamen sie noch mal zum Spaghettiessen und zum Bunco-Spielen in der Kirche. Soman war ein großer Fan des Würfelspiels. Linda, Margie und Louise schlossen ihn besonders ins Herz, auch wenn Margie meinte, er sei ein »abgrundtief schlechter« Spieler (was Soman irgendwie verletzte, glaube ich). Louise bat ihn, ihr Haar genauso zu flechten wie seines. Er machte ihr zehn Zöpfe, und sie war die Schönheit des Abends.
Dann kam Soman allein zu Becky. Er brachte ihr Bücher, Süßigkeiten oder etwas zum gemeinsamen Basteln mit. Einmal fertigten sie Bilderrahmen aus Tannenzapfen, Stöckchen, Moos und anderen natürlichen Materialien, die sie am Fluss gefunden hatten. Dann malten sie ein Bild von der Hauptstraße in Weltana bei Sonnenaufgang, das Soman rahmen ließ und Becky schenkte. Die Woche darauf gestalteten sie Lampenschirme. Und einmal brachte Soman zwei weiße Schlafanzüge mit, die sie in großen Eimern batikten.
Die beiden waren unglaublich begabte Künstler, ehrlich. Das Gemälde besaß einen derartigen Reichtum an Farben, und die Lampenschirme sahen aus wie moderne Kunstwerke. Ihre gebatikten Schlafanzüge hätten sie meiner Meinung nach verkaufen können.
Jeden Tag ging es Becky ein wenig besser. Ich hatte für sie ein Zimmer bei Rosvita gemietet, und Rosvita umsorgte sie und lieh Becky ihren Kleinlaster, um zur Aggressionsbewältigungstherapie zu fahren. »Sie ist traurig. Ihre Seele ist krank«, sagte Rosvita. »Es bricht mir das Herz.«
Als ich eines Abends gegen halb zwölf von der Arbeit nach Hause kam, setzte ich mich mit Becky in die Liegestühle auf Rosvitas Veranda. Vor uns strömte der Fluss dahin.
Meine Nerven waren angespannt von der Arbeit, ich hatte ein Klingeln in den Ohren.
»Ich dachte einfach, ich würde es keinen Tag länger aushalten«, sagte Becky mit leiser Stimme.
Ich nickte im Dunkeln. Dieses Gefühl kannte ich.
»Ich wollte nicht mehr kämpfen, wollte mich nicht mehr mit diesen ganzen Entzugsproblemen herumschlagen, wollte nicht mehr gegen die Sucht kämpfen, wollte nicht mehr über den Schmerz nachdenken, den ich so vielen Menschen zugefügt habe, die mich lieben.« Becky lehnte den Kopf gegen den Stuhl.
»Ich habe sechs Brüder, Jeanne. Alle haben versucht, mir zu helfen. Sie tauchten in diesem oder jenem Haus auf, wo ich gerade wohnte,
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