Blaubeeren und Vanilleeis
demonstriert.«
Hermann guckte zu Tumi, der feuerrot wurde. »Gut, dass sie das tut«, sagte er.
»Findest du solche Demonstrationen etwa in Ordnung?«, fragte Tumi atemlos. »Und solche Naturvereine auch?«
»Aber sicher«, sagte Hermann. »Es ist doch gut, dass es Menschen gibt, die sich für Naturschutz interessieren und sogar etwas dafür tun … So, und jetzt muss ich los. Danke für alles. Es war schön, euch kennenzulernen.«
»Vergiss das Geschenk nicht«, sagte Vildis.
»Du hättest ihm wirklich nicht unter die Nase reiben müssen, wo Mama ist«, warf Tumi seiner Schwester vor, als Hermann gegangen war.
»Und du musst mit dem Schwindeln aufhören«, sagte Vildis.
»Schwindeln lohnt sich nie, meine Lieben«, sagte Opa. »Mein Vater hat immer gesagt: Um eine Lüge glaubwürdig zu machen, braucht man sieben weitere. Ein Mann aus unserer Gegend war so verlogen, dass ihm niemand mehr glaubte, als er eines Tages meinte, ein Angelhaken würde in seiner Pobacke stecken. Es hat mehrere Tage gedauert, bis seine Frau ihm endlich glaubte und ihn zum Arzt brachte, und da war sein Hintern schon gelb und blau und der Mann fast über den Jordan.«
Die Kinder prusteten los. Selbst Oma musste lächeln, was sie nicht immer tat, wenn Opa Geschichten erzählte – oder Unfug, wie sie es nannte. Doch mit einem Mal hörte sie auf zu lachen.
»Wo ist denn unsere Vala?«, fragte sie.
»Sie wird in ihrem Zimmer oder sonst wo sein«, sagte Opa. »Seht mal nach, ob sie sich nicht in die Werkstatt geschlichen hat.«
»Das kann nicht sein«, sagte Vildis entschieden. »Ich habe vorhin hinter uns abgeschlossen.«
Sie riefen um die Wette, Tumi rannte in den Garten, Vildis lief von Zimmer zu Zimmer, und Oma sah in der Höhle nach, doch Vala blieb unauffindbar. Als hätte sie sich in Luft aufgelöst. Es konnte sich auch niemand erinnern, wann genau sie eigentlich vom Tisch verschwunden war. Sie waren ja die ganze Zeit mit Hermann beschäftigt gewesen.
Jetzt wurden sie jedoch von einer kalten Angst gepackt, die sich schon bald in Panik wandelte.
»Heiliger Gott im Himmel, was ist dem Kind bloß zugestoßen?«, stöhnte Oma, aber niemand wusste eine Antwort. Einen Moment lang standen sie ratlos auf der Veranda und spähten in alle Richtungen.
Der Fuß des Berges Esja war in einen leichten Nebelschleier gehüllt, doch der Himmel war wolkenlos und in der Luft lag der kräftige Duft von frisch gemähtem Gras. Vildis versuchte zu verstehen, wie die Welt so schön sein konnte, obwohl doch Vala verschwunden war. Ob die Welt auch dann so schön ist, wenn jemand stirbt? Zum Beispiel Hermanns Frau? Diesen Gedanken konnte sie nicht zu Ende denken, sie wollte es nicht.
»Wir müssen Papa anrufen«, sagte sie.
[zurück]
Und was ist mit Vala passiert?
… das wusste niemand.
Inzwischen waren sie überall herumgerannt, hatten den Garten und die Höhlen durchkämmt und Opa hatte die Lava in der Nähe der Häuser abgesucht. Nach und nach hörten die Nachbarn die Rufe. Alle wollten erfahren, was denn los wäre, und nun strömten die Leute herbei, um bei der Suche nach Vala zu helfen.
»Das Kind kann noch nicht weit sein«, sagte Oma, die leichenblass war und Opa mit angsterfülltem Blick ansah.
»Ganz genau, also reg dich nicht auf, wir finden sie«, beruhigte er.
Tumi hatte Papa angerufen, doch es war Sigga, die ranging.
Papa sei beim Golfen, sagte sie. Und dort würde er das Handy immer ausschalten.
Tumi merkte, wie in ihm die Wut hochkochte. Nie wieder würde er mit Papa reden. Was nützte schon ein Vater, der nie da war, wenn man ihn brauchte? Genau so war es auch gewesen, als Vildis sich den Arm gebrochen hatte. Mama hatte Papa angerufen, aber der war angeln gewesen. Und er hatte auch noch nicht gesagt, wann genau er mit ihnen zu Opa in den Norden fahren würde.
»Ich kann mit dem Hund kommen«, schlug Sigga vor, doch Tumi legte einfach auf.
Die Männer aus der Nachbarschaft organisierten bereits die Suche in der Lava und sogar die Jugendlichen aus dem Viertel wurden aus den Federn gescheucht. Schlaftrunken und verwirrt stolperten sie an diesem schrecklichen Samstagvormittag herbei.
Vildis und Tumi liefen die ganze Gegend ab und schrien wie verrückt. Vildis hatte zu weinen begonnen, und Tumi musste sich zusammenreißen, um nicht auch loszuheulen. Der Junge, der ihn kürzlich auf dem Spielplatz in die Tonne gesteckt hatte und jetzt auch bei der Suche half, sollte ihn bloß nicht weinen sehen.
Nach etwa einer Stunde ging
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