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Blaue Wunder

Blaue Wunder

Titel: Blaue Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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gab eine, eine ganz kleine, und ich hoffte so sehr, dass er sie ergreifen würde.
    «Du wirst dich entscheiden müssen, Martin, und zwar sofort. Wenn du lieber ein Verlobter bleiben möchtest, der sich um die Hausratsversicherung Gedanken macht, gehe ich, und du siehst mich nie wieder.»
    Ich war mindestens so erschrocken wie Martin, als ich mich diese filmreifen Sätze sagen hörte. Meine Güte, ich hatte alles auf eine Karte gesetzt! Und das, wo ich doch sonst ein großer Freund pseudodiplomatischer und langfristiger Zwischenlösungen bin. Ich hielt den Atem an. Jetzt lag alles in seiner Hand.
    «Das ist für mich alles nicht so einfach, Elli, du bist vollkommen unerwartet in mein Leben getreten, reingedonnert wäre wohl das richtigere Wort. Zu einer unmöglichen Zeit! Ich habe total den Kopf verloren. Aber weißt du, ich kenne Astrid seit dem Studium, sie hat mir diese Wohnung besorgt, sie duzt meine Mutter, sie geht mit ihr zum Yoga, sie...»
    «Hör sofort auf mit diesem Mist! Von mir aus kann deine Verlobte mit deiner Mutter zur Darmspiegelung gehen. Ich will nur wissen, was du denkst und wie du dich entscheidest.»
    Und auf einmal wusste ich, dass ich jetzt einen Satz hören würde, den ich schon lange nicht mehr gehört hatte und den ich nie wieder hatte hören wollen. Martin trat einen Schritt auf mich zu, zuckte die Achseln und blickte zerknirscht an meiner linken Schulter vorbei in den Hamburger Nachthimmel.
    «Glaub mir, Elli, es liegt nicht an dir. Aber ich bin wohl einfach noch nicht wieder bereit für eine neue feste Beziehung.»
     

«Ganz ehrlich    
unter Freunden: Zwei, drei 
Kilo weniger würden dir 
nicht schaden.»       
     

    Mein Gesicht erinnert mich an irgendjemanden. Ich schaue grübelnd in den Spiegel. Ach ja, richtig! Ich sehe original so aus wie der Hund meiner Tante väterlicherseits. Es ist kein schönes Tier. Eher so die Richtung kurioses Sabbergesicht mit Triefaugen und Tränensäcken bis zur Nase. Ich frage mich, warum Schauspielerinnen vom Weinen keine roten Augen bekommen. Warum ihr Gesicht nicht fleckig wird und dellig wie ein unentschlossener Hefekuchen. Denen perlt eine Träne nach der anderen dekorativ über die Wangen, statt wie bei unsereinem erst die Wimperntusche mitzureißen, sich dann im Mundwinkel zusammenzutun und schließlich als schmuddeliger Schnodder vom Kinn zu tropfen.
    Verdammt, ich habe lange nicht mehr so elend und verheult ausgesehen. Das letzte Mal muss vor etwa zwei Jahren an meinem dreißigsten Geburtstag gewesen sein. In der Nacht vorher hatte ich, einem weiblichen Urinstinkt folgend, meinen Freund verlassen, meine Wohnung entrümpelt und mich im Internet über günstige One-Way- Flüge nach Neuseeland informiert. Ich hatte das Gefühl nicht mehr ertragen, dass sich in meinem Leben höchstwahrscheinlich nicht mehr viel ändern würde. Ich betrachtete meinen Hintern und rechnete hoch, dass die von der Schwerkraft bedrohten Teile meines Körpers vielleicht noch fünf, maximal zehn gute Jahre vor sich haben würden. Und die sollten im Münsterland an der Seite von Gregor Bispinck versauern? Gregor, der meinem Vater als kleiner Junge beim Umgraben geholfen hatte und der mir, einen Tag vor meinem dreißigsten Geburtstag, einen Zettel mit vielen Zahlen vorlegte, Überschrift: «Warum es sich lohnt, wenn wir heiraten!»
    Tollkühn hatte ich mich gegen diese Zukunft entschieden. Zumal mir damals ein Heiratsantrag mindestens ebenso viel wert schien wie eine tatsächliche Hochzeit. Und erst ein abgelehnter Heiratsantrag! Warum vor den Altar treten, wenn ich den Mann doch sowieso sicher hatte und mit der Schilderung meiner Weigerung mächtig was hermachen konnte? In der Tat. Meine Kolleginnen im Reisebüro erklärten mich abwechselnd für komplett verrückt oder total wagemutig.
    Doch mein Ruhm war nur von kurzer Dauer. Ein halbes Jahr später heiratete Gregor eine andere. Sanne erwartet mittlerweile ihr zweites Kind, Gregor hat das Baugeschäft seines Vaters übernommen und spielt eine aktive Rolle im Gemeindeleben. Meine Mutter hat mir bis heute nicht verziehen. Und von meinen Kolleginnen musste ich mir die eine oder andere hämische Bemerkung gefallen lassen. Haben sie Recht? Ich schaue ja selbst voll Neid auf solche unkomplizierten, geradlinigen Lebenswege. Wo immer alles klappt. Wo die Kinder dann kommen, wenn man sie haben will. Wo die Oma unentgeltlich auf die Enkel aufpasst, wo der Schwiegervater hilft, wenn im Garten eine Hecke verpflanzt werden

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