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Blaue Wunder

Blaue Wunder

Titel: Blaue Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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fröhliche Melodie, singe dort ein lustiges Liedchen und habe meinem Vermieter sogar angeboten, die Fenster zu putzen, um die liebliche Frühlingssonne hereinzulassen. Er meinte aber, das sei nicht nötig. Bei mir würde ohnehin nie die Sonne reinscheinen und der Ausblick sei ja nun nicht so einmalig, dass man ihn unbedingt ganz genau sehen wolle. Er selber hätte gerade letztes Wochenende seine Fenster geputzt, wie jeden ersten Samstag im Monat. Klo und Waschbecken hatte er auch schon sauber gemacht, und so beschränkte ich mich auf die ausgiebige Säuberung und Pflege meiner selbst.
    Man sieht den eigenen Körper ja gleich mit ganz anderen Augen, wenn man darauf hofft, ihn sehr bald, genau genommen noch am selben Abend, jemandem zu zeigen. Der letzte Mann, der mich nackt gesehen hat, war mein Hautarzt beim alljährlichen Check. Und schon da hatte ich mich ein bisschen geschämt. Ich meine, wir alle wissen doch, wie drei Jahrzehnte alte Haut aussieht, wenn das Licht ungünstig fällt. Und hundert Watt aus sechs Neonröhren: Das nenne ich ungünstig fallendes Licht.
    Als ich mich heute Morgen auf meine Nachmittagsverabredung mit Martin vorbereitete, versuchte ich also meinen Körper mit den Augen eines Mannes zu betrachten, der mich gerade erst bei einem Beinahunfall kennen gelernt hat. Wirklich ganz hübsch an mir ist mein Rücken. Bedauerlicherweise ein Körperteil, auf den Männer häufig nicht als Erstes achten. Ich fand zwar, dass Martin Gülpen einen sehr hanseatisch-korrekten Eindruck machte, aber ich wollte nicht ausschließen, dass er dennoch den ein oder anderen Blick auf eines der Schlüsselreiz-Körperteile werfen würde: Busen, Po, Beine, Haare. Busen: na ja, kein wirklicher Abräumer. Keine winzige Lachnummer, aber auch nichts, wovon man noch Jahre später erzählt. Lässt sich mit der richtigen Wäsche aber herrichten.
    Po: An meinem Po an sich ist nichts auszusetzen. Blöd ist nur, dass er sich über eine relativ große Fläche verteilt. Da kann ich abnehmen, so viel ich will, irgendwann wäre der Po weg, aber die Fläche bliebe, und dann sähe ich aus wie eine überfahrene Katze, platt und breit. Beine: Könnten okay sein, wenn jedes von ihnen etwa drei Kilo weniger wiegen würde.
    Haare: leider nicht lang und blond, sondern mittellang und braun, nun ja, grau-braun seit neuestem. Ich habe seit zwanzig Jahren die gleiche Frisur, und zwar eine, die einzig und allein der Tarnung meiner groß gewachsenen, abstehenden Ohren dient. Meine Haare müssen eine exakte Länge und einen exakten Schnitt haben, damit sie über meine Riesenlauscher passen wie eine Husse über einen Ohrensessel. Oh, ich habe schon so gelitten unter den Dingern. Beim Schwimmunterricht war ich die Einzige, die freiwillig eine Badekappe trug, einfach weil ich mit nassen Haaren aussah wie Gollum. Daran hat sich leider nichts geändert. Selbst Gregor, der mich ja wirklich abgöttisch liebte, bis er sich von dieser Dorfschlampe ein Kind hat machen lassen, ist noch nach drei Jahren Beziehung manchmal morgens in Lachen ausgebrochen, wenn er vor mir aufgewacht ist. Ist ja klar, dass man sich im Schlaf nicht ständig um die Frisur kümmern kann, und im schlechtesten Fall, wenn ich auf der Seite liege und die Haare ungünstig am Ohr vorbeifallen, sehe ich zwischen meinen Kissen tatsächlich aus wie eine Satellitenschüssel.
    Ich betrachtete mich weiter in Erdals zwei Meter hohem Badezimmerspiegel. Erst neulich hatte ich gelesen, dass man sich selbst liebevoll wahrnehmen und sich an seinen Vorzügen erfreuen soll. Also drehte ich mich um.
    So verschroben Erdals Vorstellungen von Hygiene auch waren, ich muss sagen, dass er gleich ziemlich kapierte, was mit mir los war. Als ich das Badezimmer verließ, fragte er misstrauisch: «Ich dachte, du kennst hier niemanden?»
    «Stimmt, tue ich auch nicht, jedenfalls nicht wirklich. Ich hab da gestern nur durch Zufall jemanden getroffen.» «Lass mich raten. Du warst anderthalb Stunden im Bad, deine Fingernägel sind frisch gefeilt, du hast heute noch nichts gegessen, und du hast seit heute Morgen nicht aufgehört, vor dich hin zu grinsen. Du bist verliebt!» «Was? Ach, Quatsch.»
    Ich kicherte wie ein dusseliger Teenager und wurde noch dazu rot. Ich werde leider sehr oft sehr rot. Immer dann, wenn es einen Grund gibt, rot zu werden, und darüber hinaus auch dann, wenn es keinen Grund gibt, rot zu werden. Das ist ungünstig, weil ich, egal, was ich sage, grundsätzlich so aussehe, als würde ich mich

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