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Blaue Wunder

Blaue Wunder

Titel: Blaue Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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würde. Aber da lehnte ich mich bereits noch weiter vor, um auch nur ja kein Wort zu verpassen. Wie eigentlich meistens bei mir siegte die Neugier über die Vernunft mit K.o. in der ersten Runde.
    Die Stimme der Frau namens Astrid hatte jetzt den Ton einer über Kopfsteinpflaster scheppernden Blechbüchse.
    «Ich habe gar nichts beendet! Alles, was ich gesagt habe, war, dass ich ein wenig Abstand brauchte, um mir über meine Gefühle klar zu werden. Das ist doch wohl verständlich. Was erwartest du denn? In vier Wochen, am Tag nach dem Wolkenball, willst du bekannt geben, dass du nach Bielefeld gehst, um dort ein eigenes Geschäft zu eröffnen. Und dass ich mitkomme, setzt du einfach voraus? Du spinnst doch! Und dann erlaube ich mir, zwei Wochen drüber nachzudenken, und schwups, hat Herr Martin Gülpen schon vergessen, dass er eine Verlobte hat. Du bist ein echtes Schwein!»
    Wolkenball? Bielefeld? Verlobte? Ich starrte eindringlich die Unkrautharke an, als könne sie in meinen verworrenen Gedanken Ordnung schaffen.
    Martins Stimme war schwerer zu verstehen. Er sprach leise und eindringlich, als würde er versuchen, eine Kuh mit Koliken zu beruhigen.
    «Ich hatte den Eindruck, du hättest deine Entscheidung getroffen. Und zwar gegen Bielefeld und gegen uns. Und das habe ich akzeptiert.»
    «Das hast du akzeptiert? Na bravo, Mister Obertolerant! Ich will aber nicht, dass du meine Entscheidung akzeptierst. Ich will, dass du mich überredest. Mich bekniest. Mich anflehst, mit dir zu kommen. Kapierst du das nicht? Das Letzte, was ich will, ist, dass meine Entscheidungen von dir akzeptiert werden, du blöder Idiot! Wenn du akzeptierst, dass ich nicht mit nach Bielefeld komme, liebst du mich auch nicht richtig!»
    «Astrid, deine verquere Art zu denken, versteht doch kein Mensch!»
    Nun, ich hegte wirklich keine großen Sympathien für Astrid mit der Blechbüchsenstimme, aber ich fand ihre Argumentation eigentlich in allen Punkten logisch und nachvollziehbar. Auch ich habe es stets als außerordentlich beleidigend empfunden, wenn meine Entscheidungen ohne Widerrede akzeptiert wurden.
    Man bekommt bei Männern manchmal das Gefühl, sie stimmen einem nur zu, um ihre Ruhe zu haben. Da ist es ganz egal, ob du zum Abschluss einer mehrstündigen Beziehungsdiskussion sagst: «Meinst du nicht auch, wir sollten uns lieber trennen?» oder «Meinst du nicht auch, wir sollten morgen heiraten?» Die Antwort ist in jedem Fall: «Mmmh, von mir aus.»
    Ich will gar nicht daran denken, wie viele der derzeit lebenden Männer Singles sind, bloß weil sie im entscheidenden Moment zu faul waren, ein Widerwort zu geben, und wie viele derzeit verheiratet sind, einzig aus dem Grund, weil sie mechanisch genickt haben.
    Mir schien, dass Blechbüchse Astrid ähnliche Ansichten vertrat und über Martins Antwort richtig sauer war, denn jetzt klang es ganz so, als habe sie das Tablett mit den geschliffenen Karaffen auf den Parkettboden geschmissen, höchstwahrscheinlich nicht aus Versehen.
    «Astrid, wenn ich eins hasse, dann Gefühlsausbrüche, bei denen auch noch was kaputtgeht. Erinnere dich bitte, dass dir deine Haftpflichtversicherung bereits mit Kündigung gedroht hat. Lass uns wie Erwachsene darüber reden.»
    Astrid stieß ein hysterisches Lachen aus. Das wäre auch meine Reaktion gewesen. Dass ich nicht lache: wie Erwachsene darüber reden! Das ist der Satz, den ich mehr als alles andere auf der Welt hasse. Männer benutzen ihn gerne dann, wenn Frauen Gefühle zeigen. Negative Gefühle, versteht sich. Komischerweise pocht kein Mann jemals aufs Erwachsensein, wenn man ihm von Liebe überwältigt ins Öhrchen raunt, wie supersexy er sei. Nein, gegen diese Sorte Emotionen haben sie nichts. Unerwachsen finden sie nur die Gefühle, mit denen du ihnen auf die Nerven gehst. Ganz plötzlich ist Sachlichkeit ein hohes Gut, wenn du ihn nicht impulsiv anbetest, sondern impulsiv kritisierst. Das ist ungerecht und unmöglich, denn mir ist keine Frau bekannt, die in der Lage ist, ihm vor Liebesglück im Super- markt an der Käsetheke stöhnend den Hintern zu kneten und wenig später bei einer Auseinandersetzung zu sagen: «Mein Lieber, ich schlage vor, diese Angelegenheit völlig frei von Emotionen zu diskutieren.»
    Ich horchte angestrengt ins Wohnzimmer hinunter, um nichts von Astrids Reaktion zu verpassen. Seltsam, aber ich hatte in dem Moment noch gar nicht das Gefühl, dass das, was da einen Stock unter mir geschah, etwas mit mir zu tun hatte. Ich

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