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Blaue Wunder

Blaue Wunder

Titel: Blaue Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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oder eine Hose von früher rauslegen, in die man gerne wieder reinpassen möchte.»
    «Was meinen die mit früher?», hatte ich missmutig erwidert. «Das letzte Mal war ich zweiundzwanzig, als ich mein Idealgewicht hatte. Wer bitte schön hebt denn seine Klamotten so lange auf? Ich habe in den zwei Wochen mit Martin zweieinhalb Kilo abgenommen. Und kurz bevor mir meine Hosen zu weit werden konnten, hat der Schuft mich abserviert. In den anderthalb Wochen ohne Martin habe ich vier Kilo zugenommen. So sieht das bei mir aus.»
    «Ich habe vor einem Jahr die Hoffnung aufgegeben, jemals wieder unter achtzig Kilo zu wiegen, und die ganz eng sitzenden Klamotten verschenkt.»
    Ich hatte dazu taktvoll geschwiegen. Es gab schon das ein oder andere Teil, von dem sich Erdal offensichtlich nicht trennen konnte. Sein goldenes T-Shirt von D&G zum Beispiel oder auch die schwarze Samthose von Hugo. Beides Kleidungsstücke, in denen Erdal aussieht, als hätte man Hulk in die neue Barbie-Kollektion gezwängt.
    «Und weil wir beide nichts mehr zum Anziehen haben werden, wenn wir erst schlank sind, und weil ich von uns beiden den besseren Geschmack habe, habe ich uns was bestellt.»
    «Wie bestellt?»
    «Bei einem absolut exquisiten Versandhandel. Für dich ein wunderschönes Abendkleid und für mich einen geilen Anzug. Die Sachen müssten übermorgen hier sein. Und die hängen wir uns dann gut sichtbar ins Zimmer. Nix visualisieren, nix Vorstellungskraft - dein blaues Kleid wird dir ständig vor der Nase hängen.»
    «Spinnst du? Ich kann mir ein teures Kleid überhaupt nicht leisten. Ehrlich, was ist das für eine schwachsinnige Idee?»
    «Reg dich nicht auf, ich habe an alles gedacht. Wir haben vier Wochen Rückgaberecht. Und wenn ich bis dahin genug Kilos abgespeckt habe und du in Größe achtunddreißig reinpasst, werden wir unsere Sachen ein einziges Mal tragen und dann zurückschicken. Das ist nämlich meine zweite Überraschung für dich: Wir werden gemeinsam zum Wolkenball gehen! Ich habe zufällig ganz gute Kontakte zum Veranstalter. Ist das nicht der Wahnsinn: Erdal und Elli über den Wolken! Da wird dein Mister Martin sein blaues Wunder erleben. Und ich werde endlich wieder einen Anzug Größe achtundvierzig im Schrank haben.»
    Ich hatte mehrere Sekunden gebraucht, um diese ganzen Informationen zu verarbeiten - und schließlich nur zwei Worte hervorgebracht, von denen ich nicht vermutet hatte, sie jemals wieder im Zusammenhang mit meiner Person wieder auszusprechen: «Größe achtunddreißig?»
    Ich trinke meinen ekligen Fastentee und denke, dass ich in meinem Leben noch nie so ein traumhaftes Kleid besessen habe. Ich habe es über das Bild mit den ringenden nackten Männern gehängt. So habe ich es vom Bett aus immer im Blick, und ich muss das Bild nicht mehr sehen. Erdal hatte um Nachsicht gebeten wegen dieses Kunstwerks. Es sei ein Original, gemalt von einem Exfreund, der höchstwahrscheinlich mal sehr berühmt werden würde. Neulich hätte er mal fast ein Bild verkauft.
    Es ist echt irre, wie viele Exfreunde und Freunde von Erdals Exfreunden über die ganze Stadt verteilt sind. Kein Club, kein Fitnesscenter, kein Restaurant, wo nicht mindestens ein Kumpel von ihm in maßgeblicher Position beschäftigt ist. Auch gestern Nacht hatte nur deswegen alles so reibungslos geklappt, weil ein Freund von Erdal uns auf die Party im «Indochine» geschmuggelt hatte. Dort, so das Ergebnis der Observation, standen Martin und sein Freund am Tresen.
    Martin. Es haute mich um, ihn wiederzusehen. Und mein erster Gedanke war, dass ich alles, alles tun würde, damit dieser Mann zu mir zurückkehrte.
    Ich stelle den Fastentee beiseite. Hatte ich darüber nicht etwas in mein Tagebuch geschrieben, als wir noch zusammen waren? Hatte ich mir da nicht schon überlegt, was ich zu tun bereit wäre, um diesen Mann nicht zu verlieren? Hatte ich nicht Angst um mein Glück gehabt, als es gerade erst begann? Hatte ich womöglich üble Vorzeichen übersehen?

23. APRIL
     
    Zeit: elf Uhr
    Ort: Büro. Nichts los
    Stimmung: liebeskrank
    Weitere Aussichten: Ich werde wohl
    nie verstehen, was ein so perfekter Mann
    an mir findet. Ein Fehler im Schicksalsplan
    zu meinen Gunsten? Was, wenn das mal
    irgendjemandem auffällt?

    Liebes Tagebuch!
    Eine Freundin sagte mir mal, als sie ganz frisch schwanger war: «Ich weiß, dass ich schwanger bin, aber ich fühle mich nicht so - keine Übelkeit, kein Brustziehen, noch kein dicker Bauch. Am liebsten würde ich jeden

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