Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blaue Wunder

Blaue Wunder

Titel: Blaue Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
Vom Netzwerk:
was?»
    «Und was für Farben willst du für Augen, Lippen und Wangen nehmen? Ich würde ja ruhig zu einer etwas dramatischen Kombination raten. Du brauchst für heute Abend unbedingt Augen, von denen man den Blick nicht mehr abwenden kann, sobald man einmal hineingeschaut hat. Was du unbedingt nehmen musst, ist ein transparenter Glitzerpuder für Hals und Dekollete.»
    «Sag mal, spinnst du? Wovon sprichst du? So was hab ich doch überhaupt nicht. Getönte Tagescreme, Wimperntusche und rechts und links ein Klecks Rouge: Zu mehr bin ich unfallfrei überhaupt nicht in der Lage. Damit sehe ich wenigstens total natürlich aus. Ich glaube, Martin mag so völlig überschminkte Tussen gar nicht.»
    Erdal war blass geworden.
    «Du willst natürlich aussehen, Elli? Und ich dachte, du willst gut aussehen.»
    Eine halbe Stunde später entfernte Maurice mit pathetischer Geste die Bürsten aus meinem Haar und behauptete, da sei er ja gerade noch rechtzeitig gekommen, um eine Katastrophe zu verhindern. Man hatte mich vor dem Küchenfenster auf einen Stuhl gesetzt, weil Maurice das Licht dort am inspirierendsten fand. Zu meiner und wohl auch zu seiner Beruhigung öffnete Erdal eine Flasche Sekt. Alkohol, hatte er angeblich in einem Ratgeber gelesen, sei in Maßen auch während einer Diät erlaubt und gelte sogar als entschlackend. «Und bei den Mengen», sagte Erdal, «die wir in den letzten anderthalb Wochen gesoffen haben, sind zwei, drei Fläschchen Prickelwasser ja wohl durchaus maßvoll.»
    Karsten hatte sich inzwischen auch eingefunden. Er saß schweigsam am Küchentisch, blätterte in einer Zeitschrift von und für Hamburger Polizisten und brummte ab und zu, er verstehe den ganzen Aufwand nicht, ich würde doch auch ohne das ganze Zeug im Gesicht ganz nett aussehen. Ich warf ihm an Maurice und dem Plätteisen vorbei einen freundlichen Blick zu.
    «Ganz nett? Das reicht aber nicht für unsere Zwecke!», rief Erdal schon leicht angeschickert. So ein paar Gläschen auf nichts als eine Tüte Gummibärchen haben es schon in sich. «Warte ab, was Maurice aus unserer kleinen Elli-Maus für ein Kunstwerk kreiert. Und wehe, dein blöder Martin ist heute Abend nicht unterwegs!»
    «Keine Sorge», beruhigte ich ihn. «Jeden ersten Freitag im Monat geht er mit seinem Freund Marc erst essen und dann einen trinken.»
    Maurice wurde ungeduldig: «Jetzt bitte nicht mehr sprechen, Liebelein, ich muss an deinen Lippen arbeiten.»
    «Darling, du bist ein Künstler», säuselte Erdal.
    Karsten warf Maurice einen misstrauischen Blick zu. Niedlich, ich glaube, er war etwas eifersüchtig. Das schien auch Erdal zu bemerken, und wie es seiner unsensiblen Art entspricht, thematisierte er das auch gleich. Es gäbe keinen Grund, eifersüchtig zu sein, denn das mit Maurice sei etwas rein Sexuelles gewesen. Dann schnurrte er noch, warum Karsten denn nicht seine Uniform angezogen habe. Er sähe darin so wahnsinnig sexy aus und sie sei für eine Beschattungsaktion doch auch die angemessene Bekleidung.
    «Wenn du nicht sofort die Klappe hältst, kannst du den Typen heute Abend allein observieren», gab Karsten zurück. Die Uniform sei Dienstkleidung, damit sei nicht zu spaßen.
    Ich bat um Ruhe und mehr Sekt. «Schließlich geht es hier um mich. Und ich bin sehr nervös. Ich muss heute Abend den Mann beeindrucken, den ich liebe. Vorher muss ich mit einem mir völlig fremden Mann essen gehen und flirten. Ich muss jetzt meine Mitte finden, damit ich heute Abend ausgeglichen und amüsant bin. Wie soll das gehen, wenn ihr euch zankt, meine Haare mit einem glühenden Eisen bearbeitet werden und eine mir unbekannte Foundation meine Haut bedeckt. Ihr könntet wirklich etwas mehr Rücksicht nehmen.»
    Das wirkte, und die nächsten zwanzig Minuten arbeitete Maurice in absoluter Stille.
    Noch nie in meinem Leben hatten sich so viele verschiedene Kosmetikartikel gleichzeitig in meinem Gesicht aufgehalten. Was es da alles gab. Maurice öffnete einen Tiegel nach dem anderen, betupfte mich hier mit einer Farbe und spachtelte dort mit einer Paste nach. Ich war fasziniert und beunruhigt. Würde ich mir überhaupt gefallen? Nein, die Frage war so nicht ganz richtig formuliert, korrekt musste sie lauten: Würde ich ihm überhaupt gefallen?
    Ein letzter Blick in den Spiegel des Waschraums. Meine Augen strahlen, wie von innen beleuchtet, zwischen üppig getuschten Wimpern hervor, umrandet vom perfekten Lidstrich und betont von silbrig blauem Lidschatten. Mein Teint: makellos,

Weitere Kostenlose Bücher