Blaue Wunder
in aller Regel besser aussieht als eine ungeschminkte. Wobei das bei mir ehrlicherweise oftmals nicht der Fall war. Ich habe in meinem Leben einige Erfahrungen mit Make-up gesammelt, jedoch fast nur schlechte.
Ich bin zum Beispiel überhaupt keine Virtuosin mit dem Eyeliner, jenem winzigen Pinsel, mit dem man auf Ober- und Unterlid jeweils eine hauchdünne Linie zeichnen soll, den so genannten Lidstrich. Im «Brigitte Extra»-Heft «Schminken leicht gemacht» steht dazu: «Wenn der Lidstrich getrocknet ist, können Sie ihn nicht mehr wegwischen, falls er zu breit geworden ist oder nicht genau am Wimpernrand sitzt.» Ja, das ist ein wertvoller Hinweis, der dir aber letzt- endlich auch nicht viel nützt. An meinem letzten Lidstrich versuchte ich mich vor etwa einem Dreivierteljahr im Hause meiner Schwester. Meine Bemühungen wurden von meiner vierjährigen Nichte mit dem Ausruf quittiert: «Guckt mal, Tante Elli hat ’ne Brille auf!»
Nein, ich muss wirklich sagen, die Wissenschaft des Schminkens ist keins meiner Spezialgebiete. So ist mir bis heute nicht klar, was der Unterschied zwischen einer Foundation, einem Fluid, einer Grundierung, einem flüssigen Make-up und einer Base ist. Als ich mir mal einen Concealer leistete, der Augenringe abdecken soll, setzte sich das Zeug derart hartnäckig in kleinsten Fältchen ab, dass ich nach zwei Stunden aussah wie eine übernächtigte Neunzigjährige. «Sie haben wohl die Foundation vergessen», versuchte die Frau in der Parfümerie dann auch noch mir die Schuld in die Schuhe zu schieben.
Auch mit Lidschatten bin ich keine Leuchte. Obschon ich mich genau an die Anweisungen von «Brigitte» gehalten hatte: «Das Rauchblau zieht sich von der Mitte des Lides um die äußeren Augenwinkel herum und reicht über die Lidfalte bis in die Schläfen.» Freundinnen, was soll ich sagen, es war kein schöner Anblick, der sich mir da bot. Genau genommen sah ich aus wie eine Frau, der jemand zwei Veilchen verpasst hatte.
Aber was Maurice aus mir gemacht hat, ich muss schon sagen, das ist wirklich Weltklasse. Maurice heißt natürlich nicht wirklich Maurice, sondern Sebastian und ist ein Exlover von Erdal.
Zum Glück ist Erdal ein Typ, der es nicht erträgt, wenn ihn jemand nicht mag, und so ist er immer rührend um guten Kontakt zu seinen Exliebhabern bemüht. Deshalb konnte ich Maurice sofort zu mir nach Haus bestellen, als sich heute Nachmittag herausstellte, dass ich styling-technisch allein nicht in der Lage war, mich auf diesen großen Abend vorzubereiten.
Wobei mir das gar nicht aufgefallen wäre. Ich hatte meine gewaschenen Haare auf acht Rundbürsten gedreht, eine straffende Gesichtsmaske aufgetragen und lief im Bademantel mit wild wedelnden Händen durch die Wohnung, um meinen farblosen Nagellack zu trocknen.
Erdal lag auf dem Sofa und aß Gummibärchen. Er hatte in einem unserer Diätbücher gelesen, Gummibärchen hätten kein Fett, und deshalb beschlossen, sie seien die ideale Nahrungsergänzung an einem Entlastungstag. Mit vollem Mund gab er mir pausenlos Ratschläge, wie ich mich am Abend zu verhalten hätte.
«Du darfst in keinem Augenblick die Kontrolle über das Geschehen verlieren. Lass dich von Martin nicht aus der Reserve locken. Keine Tränen, kein Geschrei. Sei souverän, gelassen und freundlich. Mit Konzentration und Disziplin wird dir das schon gelingen.»
«Auch nicht gerade zwei Dinge, die einem als Erstes einfallen, wenn man den Namen Elli Dückers hört, oder?»
«Jetzt sei nicht so mutlos. Du wirst ein bisschen flirten mit diesem... wie heißt nochmal der Cousin deiner Freundin?»
«Bert.»
«Im besten Fall wird dich Bert unwiderstehlich finden. Das möbelt dein Selbstbewusstsein auf, und wenn du dann später auf Martin triffst, wird es ihm den Atem verschlagen.»
«Wenn du meinst.»
Ich betrachtete verzagt das Bürstengebilde auf meinem Kopf. Meine Ohren, ihrer natürlichen Haartarnung beraubt, kamen so natürlich sehr unvorteilhaft zur Geltung. Sah aus wie Dumbo mit Lockenwicklern. Ein moderner bildender Künstler könnte bestimmt ’ne Menge Schotter mit mir verdienen.
«Was soll das da auf deinem Kopf eigentlich werden?», fragte Erdal.
«Das sieht man doch. Wenn ich meine Haare auf Bürsten trocknen lasse, bekommen sie eine luftige, seidige Fülle. Das sagt zumindest meine Frisöse in Hiltrup.»
«Vergiss die Frisöse an der polnischen Grenze.»
«Münsterland!»
«Ich denke, du solltest mit einem Plätteisen arbeiten.»
«Einem
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