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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N French
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sich an wie Zauberei, aber ich glaube nicht an Zauberei. Ich habe mit Dick Carey gesprochen und mich daraufhin über Sie informiert und
erfahren, dass Sie sich besonders für Zwillinge interessieren, die getrennt voneinander aufgewachsen sind. Mir ist natürlich klar, dass solche Fälle für die Debatte über das Thema Vererbung versus Erziehung von beträchtlicher Bedeutung sind. Ich habe ein paar Studien darüber gelesen. Aber das, worauf ich in dem Haus gestoßen bin, war nach meinem Empfinden nicht mehr durch Wissenschaft oder Vernunft zu erklären. Für mich hat sich das eher angefühlt wie eine Art komplizierte Scharade. Als wollte jemand meinem Gehirn einen bösen Streich spielen. Aus diesem Grund musste ich unbedingt mit einem Fachmann sprechen.«
    Boundy lehnte sich wieder zurück. »Auf dem Gebiet bin ich wirklich Fachmann«, erklärte er. »Mir geht es vor allem um die Frage, welche Rolle genetische Faktoren bei der Persönlichkeitsentwicklung spielen. Die Forschung interessiert sich ja seit jeher für Zwillinge. Das Problem ist, dass sie für gewöhnlich nicht nur die gleichen Gene haben, sondern auch in der gleichen Umgebung aufwachsen. Am liebsten würden wir Forscher uns zwei eineiige Zwillinge schnappen und sie an verschiedenen Orten aufwachsen lassen, nur um zu sehen, wie sich das unterschiedliche Umfeld auf sie auswirkt. Bedauerlicherweise dürfen wir das nicht, aber manchmal, wenn auch nur ganz selten, tun Eltern uns den Gefallen, ihre Zwillinge gleich nach der Geburt zu trennen. Solche eineiigen Zwillinge sind für unsere Zwecke ideal. Ihre genetische Ausrüstung ist identisch, sodass jeder Unterschied in ihrer Entwicklung durch das Umfeld bedingt sein muss. Aus diesem Grund haben wir jahrelang nach solchen Zwillingen Ausschau gehalten, und jedes Mal, wenn wir welche fanden, haben wir ihre Lebensgeschichte ganz genau unter die Lupe genommen und zusätzlich alle möglichen Persönlichkeitstests und medizinischen Untersuchungen mit ihren durchgeführt.«
    »Und zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen?«
    Boundy stand auf, trat an eines der Bücherregale und zog
einen Band heraus. »Das habe ich geschrieben«, erklärte er. »Besser gesagt, ich und noch jemand. Aber die Ideen stammen von mir. Sie sollten es lesen.«
    »Könnten Sie mir vielleicht vorab…?«
    Boundy legte das Buch fast ehrfürchtig auf den Schreibtisch und ließ sich dann halb auf der Tischkante nieder. »Vor gut zwanzig Jahren habe ich auf einer Konferenz in Chicago meinen ersten Vortrag über unsere Ergebnisse gehalten. Die Basis bildete eine Studie zu sechsundzwanzig Zwillingspaaren, die jeweils getrennt voneinander aufgewachsen sind. Können Sie sich vorstellen, wie meine Kollegen reagiert haben?«
    »Nein.«
    »Das war eine rhetorische Frage. Sie zerfielen in zwei Lager: diejenigen, die mich der Inkompetenz, und diejenigen, die mich der Unehrlichkeit bezichtigten.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Frieda.
    »Nehmen wir zum Beispiel den Fall, wo ein Zwilling in Bristol lebte und der andere in Wolverhampton. Als sie mit Ende dreißig wiedervereint wurden, stellten sie fest, dass sie beide jeweils eine Frau namens Jane geheiratet hatten, mittlerweile aber geschieden und in zweiter Ehe mit einer Frau namens Claire verheiratet waren. Beide hatten als Hobby eine Miniatureisenbahn, beide schnitten die Sammelcoupons aus ihren Cornflakespackungen und beide trugen Schnauzbart und Koteletten. Oder nehmen wir ein weibliches Zwillingspaar. Eine lebte in Edinburgh, die andere in Nottingham. Die eine arbeitete als Sprechstundenhilfe bei einem Arzt, die andere bei einem Zahnarzt. Beide trugen vorzugsweise Schwarz, beide litten unter Asthma und hatten solche Angst vor Aufzügen, dass sie sogar in sehr hohen Gebäuden lieber die Treppe benutzten. Und so weiter und so fort. Als wir uns zum Vergleich zweieiige Zwillinge genauer ansahen, fanden wir kaum derartige Übereinstimmungen.«
    »Warum dann die Anschuldigungen?«

    »Die anderen Psychologen glaubten mir einfach nicht. Was hat Hume noch mal über Wunder gesagt? Dass alles andere – Betrug, menschliche Fehleinschätzung, was auch immer – wesentlich wahrscheinlicher sei und man daher von einer dieser anderen Möglichkeiten ausgehen solle. Genau das taten auch meine Kollegen. Nach meinem Vortrag standen sie auf und erklärten, ich müsse mich irren. Bestimmt hätten die Zwillinge sich in Wirklichkeit doch gekannt. Oder meine Leute hätten bei ihren Recherchen nur die Ähnlichkeiten

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