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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N French
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    Frieda warf einen Blick auf die Route, die sie ausgedruckt hatte. Es war ganz einfach zu finden. Nach einer weiteren halben Stunde auf der M11 verließen sie die Autobahn und fuhren in Richtung eines kleinen Dorfes, das nur ein paar Kilometer von Cambridge entfernt war.
    »Hier muss es sein«, sagte Frieda.
    Josef bog in eine kurze gekieste Auffahrt ein, die zu einem großen georgianischen Haus führte. Auf beiden Seiten der Zufahrt parkten schimmernde Nobelkarossen, so dass es schwierig war, mit dem Lieferwagen durchzukommen. »Die Autos sehen teuer aus«, stellte Josef fest.
    »Versuchen Sie, ihnen möglichst keine Schrammen zu verpassen«, gab ihm Frieda zur Antwort. Als sie schließlich ausstieg, spürte sie, wie ihre Füße in den feinen Kieselsteinen versanken. »Möchten Sie mitkommen? Ich könnte Sie als meinen Assistenten ausgeben.«
    »Ich höre ein bisschen Radio«, entgegnete Josef, »davon wird mein Englisch besser.«
    »Es ist wirklich nett von Ihnen, dass Sie sich die Zeit genommen haben«, erklärte sie. »Ich bezahle Sie natürlich.«
    »Sie können bezahlen, indem Sie für mich kochen«, sagte er. »Ein englisches Weihnachtsessen.«
    »Ich glaube, es wäre besser, mein Geld anzunehmen«, erwiderte Frieda.
    »Nun gehen Sie schon«, sagte er. »Worauf warten Sie noch?«
    Frieda tat, wie ihr geheißen, und kämpfte sich durch die Kieselsteine bis zur Haustür vor, die mit einem prächtigen Weihnachtskranz geschmückt war. Sie drückte auf die Klingel, aber nachdem sie im Haus nichts hörte, betätigte sie schließlich den großen Messingklopfer. Das ganze Haus schien zu wackeln. Eine Frau in einem langen, aufwendig gearbeiteten Kleid öffnete ihr die Tür. In Erwartung eines Gastes lächelte sie herzlich, doch bei Friedas Anblick verschwand das Lächeln aus ihrem Gesicht.
    »Ach, Sie sind es«, stellte sie fest.
    »Ist Professor Boundy zu sprechen?«, fragte Frieda.
    »Ich hole ihn«, antwortete die Frau. »Er kümmert sich gerade um unsere Gäste.« Sie zögerte einen Moment, ehe sie hinzufügte: »Sie kommen wohl besser herein.«
    Frieda trat in eine große Diele. Sie hörte gedämpfte Stimmen. Als die Frau den Raum durchquerte, hallte das Klacken ihrer Absätze über den Holzboden. Sie öffnete eine Tür, und Frieda erhaschte einen Blick auf eine Gruppe von Leuten: Männer in Anzügen, Frauen in schicken Kleidern. Während Frieda wartete, ließ sie den Blick durch die Diele schweifen. Auf einer Seite wand sich eine mit Schnitzereien verzierte Holztreppe nach oben. In einer Mauernische stand ein Bonsai. Als Frieda Schritte hörte, drehte sie sich um und sah einen Mann auf sich zukommen. Sein graues Haar war streng nach hinten gekämmt, und auf seiner Nase funkelte eine randlose Brille. Er trug einen dunklen Anzug mit einer bunt gemusterten Krawatte.
    »Wir wollten gerade mit unseren Gästen essen«, erklärte er. »Hat es einen bestimmten Grund, dass Sie nicht am Telefon mit mir sprechen wollten?«
    »Fünf Minuten«, sagte Frieda, »länger brauchen wir nicht.«
    Er warf einen demonstrativen Blick auf seine Uhr. Frieda fand es fast amüsant, so unhöflich behandelt zu werden.
    »Wir gehen vielleicht besser in mein Arbeitszimmer.«
    Er geleitete sie in einen Raum am anderen Ende der Diele,
der fast ganz aus Bücherwänden zu bestehen schien, abgesehen von einer Glasfassade mit einer Terrassentür, durch die man auf eine weite Rasenfläche gelangte. Ein Pfad führte vom Haus weg zum Prunkstück des Gartens, einer Laube mit einem gemauerten Sitzplatz. Der Professor ließ sich hinter einem hölzernen Schreibtisch nieder. »Dick Carey hat Sie in den höchsten Tönen gepriesen«, bemerkte er. »Er hat gesagt, Sie müssten unbedingt mit mir sprechen, und die Sache dulde keinen Aufschub. Deswegen habe ich mich bereit erklärt, Sie zu empfangen, obwohl Weihnachten ist und meine Familie mit mir feiern möchte.« Er löste den Verschluss seiner Uhr und legte sie auf den Schreibtisch. »Also fassen Sie sich kurz.«
    Er deutete auf einen Sessel, doch Frieda ignorierte die Aufforderung, ging stattdessen zum Fenster und blickte einen Moment hinaus. Sie überlegte, wie sie beginnen sollte. »Ich habe etwas sehr Seltsames erlebt«, erklärte sie, als sie sich schließlich wieder umwandte. »Ein Patient von mir hat gewisse familiäre Probleme. Ein wichtiger Faktor ist dabei, dass er adoptiert wurde. Er wurde als Säugling ausgesetzt und weiß nicht das Geringste über seine leiblichen Eltern. Er hat

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