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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N French
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auch nie den Versuch unternommen, sie zu finden. Ich glaube, er wüsste gar nicht, wie er das anstellen sollte.«
    Sie hielt einen Moment inne.
    »Hören Sie«, sagte Professor Boundy, »wenn es Ihnen darum geht, irgendwelche Angehörigen aufzuspüren …«
    Frieda unterbrach ihn: »Durch gewisse Umstände bin ich an die Adresse eines Mannes gelangt, von dem ich dachte, er könnte etwas mit meinem Patienten zu tun haben. Normalerweise mache ich so etwas nicht, aber in diesem Fall bin ich einfach unangemeldet zu der Adresse gefahren.« Frieda war plötzlich fast verlegen. »Es fällt mir ziemlich schwer, es zu erklären. Als ich das Haus betrat, kam es mir vor, als wäre ich in einen Traum hineingeraten. Vielleicht hätte ich vorausschicken sollen, dass ich schon einmal bei Alan im Haus war. Alan ist mein
Patient. Als ich dann das andere Haus betrat, hatte ich das Gefühl: ›Hier war ich schon mal.‹ Die Häuser waren keineswegs identisch eingerichtet, aber jedes hatte etwas an sich, das jeweils an das andere erinnerte.«
    Sie warf einen Blick zu Professor Boundy hinüber. Würde er sie für verrückt halten? Würde er sie auslachen?
    »Inwiefern?«, fragte er.
    »Zum Teil war es nur so ein Gefühl«, antwortete Frieda. »Beide Häuser hatten etwas Beklemmendes. Dabei wirkte Alans Haus mit seinen vielen kleinen Räumen durchaus gemütlich. In dem anderen Haus war die Raumeinteilung ähnlich, aber dort fand ich die beklemmende Wirkung noch schlimmer. Ich bekam fast ein bisschen Platzangst. Es war, als wollten die Bewohner das Licht aussperren. Mir sind aber auch noch andere, ungewöhnlichere Ähnlichkeiten aufgefallen. Zum Beispiel bewahren beide Männer ihre Sachen in kleinen, ordentlich beschrifteten Schubfächern auf. Darüber hinaus gab es richtige seltsame Übereinstimmungen. Besonders verblüfft war ich, als ich feststellte, dass beide Männer einen ausgestopften Vogel herumstehen haben, Alan einen armen kleinen Eisvogel und Dean einen Falken. Das war wirklich unheimlich. Ich wusste gar nicht, was ich davon halten sollte.«
    Sie sah Professor Boundy an. Er hatte sich zurückgelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt und den Blick zur Decke gerichtet. Wartete er nur darauf, dass sie zum Ende kam?
    »Aber es war mehr als das«, fuhr Frieda fort. »Das Ganze erschien mir wie ein Traum. Als ich Dean Reeves Haus betrat, hatte ich wie gesagt das Gefühl, schon einmal dort gewesen zu sein. Als wäre ich an einen Ort zurückgekehrt, an dem ich als kleines Kind gelebt hatte. Kennen Sie das? Man weiß, man war schon mal dort, aber man weiß nicht, warum. Beide Häuser hatten so eine eigenartige Ausstrahlung. Eine Art drückende Schwüle, die einem die Luft raubt. Jedenfalls sprach ich gerade mit seiner Lebensgefährtin oder Ehefrau, als plötzlich er
selbst – dieser Dean – auftauchte. Einen Moment dachte ich, dass es Alan sei und dass er ein Doppelleben führe. Dann begriff ich, dass Alan nicht nur als Baby ausgesetzt wurde, sondern darüber hinaus auch noch einen Zwilling hat, von dem er nichts weiß.«
    »Er wurde ausgesetzt, weil er einen Zwilling hatte«, erwiderte Professor Boundy.
    »Was?«
    Es klopfte, und die Tür ging auf. Es war die Frau, die Frieda hereingelassen hatte. »Wir setzen uns gerade zum Essen, Liebling. Soll ich ihnen sagen, dass du gleich kommst?«
    »Nein.« Professor Boundy machte sich nicht einmal die Mühe, sich ihr zuzuwenden. »Fangt einfach ohne mich an.«
    »Wir können auch auf dich warten.«
    »Nun geh schon.«
    Die Frau – offensichtlich Boundys Ehefrau – bedachte Frieda mit einem argwöhnischen Blick.
    »Und mach die Tür hinter dir zu!«, fügte Boundy in lautem Ton hinzu. Die Arbeitszimmertür wurde sanft zugezogen.
    »Bitte entschuldigen Sie«, sagte er. »Darf ich Ihnen etwas anbieten? Vielleicht ein Glas Champager? Wir haben ihn eben erst aufgemacht.« Frieda schüttelte den Kopf. »Jedenfalls wollte ich Ihnen gerade erklären«, fuhr er fort, »dass es Mütter gibt, die mit Zwillingen überfordert sind und deswegen eines der Kinder zur Adoption freigeben. Oder eines einfach aussetzen.« Boundy blickte wieder kurz zur Decke hoch, doch dann fixierte er Frieda plötzlich mit beinahe brutaler Direktheit. »Also, warum sind Sie die ganze Strecke nach Cambridge gefahren, um mit mir zu sprechen?«
    »Wegen der seltsamen Dinge, die ich Ihnen gerade erzählt habe. Ich frage mich die ganze Zeit, was genau ich da erlebt habe, als ich das Haus betrat. Ein bisschen fühlte es

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