Blauer Montag
Ermittlungen eher aufhalten als vorantreiben.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und zog eine Grimasse. »Trotzdem, wenn sie an dem Tag nach London gefahren ist, wie Professor Boundy sagt, dann müssten die Kameras sie eigentlich bei King’s Cross oder in der Liverpool Street festgehalten haben, und vielleicht können wir von dort aus ihre Spur verfolgen. Wir haben ein Zeitfenster zwischen ihrer Abreise in Cambridge im Anschluss an ihr Telefonat mit dem Professor und dem Zeitpunkt, als wir ein paar Stunden später im Rahmen unserer Ermittlungen das Haus der Reeves durchsuchten.«
»Was ist mit Alan?«
»DC Wells nimmt gerade seine Aussage auf. Natürlich war
die zweite Adresse, die Kathy Ripon aufsuchen sollte, die seine.«
»Ich glaube, ich warte hier, bis er fertig ist, und begleite ihn dann nach Hause.«
»Danke. Am besten, Sie kommen danach gleich wieder her.«
»Ich arbeite nicht für Sie, falls Sie das vergessen haben.«
»Könnten Sie danach bitte noch einmal herkommen?«, versuchte er es ein zweites Mal. Allerdings verdarb er es dann wieder, indem er hinzufügte: »Na, gefällt Ihnen das besser?«
»Nicht nennenswert. Aber ich komme trotzdem wieder, weil ich gerne helfen möchte.«
»Ich kenne das Gefühl«, meinte Karlsson in verbittertem Ton. »Also, wenn gar nichts anderes mehr hilft, können Sie sich ja immer noch ihre Träume erzählen lassen.«
36
A ls Frieda Alan anbot, ihn nach Hause zu begleiten, starrte er sie nur an.
»Alan? Haben Sie Carrie schon angerufen?«
»Nein.«
»Sie können sie von unterwegs aus anrufen.«
»Ich gehe erst, wenn ich ihn gesehen habe.«
»Sie meinen Dean?«
»Meinen Bruder. Meinen Zwilling. Mein anderes Selbst. Ich muss ihn sehen.«
»Das ist im Moment sicher nicht möglich.«
»Ich gehe erst, wenn ich ihn gesehen habe.«
»Die Polizei verhört ihn gerade.«
»Während meiner ersten vierzig Lebensjahre wusste ich nicht das Geringste über meine Familie, ich hatte nicht einmal einen Namen, und nun erfahre ich, dass ich eine Mutter habe, die noch lebt, und einen Zwillingsbruder. Einen Zwillingsbruder, der jetzt hier im Haus ist, wahrscheinlich nur wenige Meter von mir entfernt. Was glauben Sie, wie sich das anfühlt? Sie kennen sich doch angeblich mit solchen Sachen aus. Sagen Sie es mir!«
Frieda nahm Platz und beugte sich vor. »Was erwarten Sie sich davon?«
»Keine Ahnung. Aber nun bin ich schon so nahe an ihm dran. Da kann ich doch nicht einfach wieder gehen!«
»Es tut mir leid«, sagte Frieda, »aber man wird Sie nicht zu ihm lassen. Nicht jetzt.«
»Na gut.« Alan stand auf und begann sich in seinen Dufflecoat zu kämpfen. »Dann besuchen wir eben sie.«
»Sie?«
»Meine Mutter. Die Frau, die ihn behalten, aber mich hergegeben hat.«
»Wollen Sie ihn deshalb sehen? Um herauszufinden, warum sie sich für ihn entschieden hat und nicht für Sie?«
»Das muss doch einen Grund gehabt haben, oder nicht?«
»Sie beide waren damals einfach nur zwei Babys. Außerdem erinnert sie sich wahrscheinlich gar nicht mehr an Sie.«
»Ich muss sie sehen.«
»Es ist schon spät.«
»Das ist mir völlig egal, und wenn es mitten in der Nacht wäre! Sagen Sie mir, wo sie ist? Oder muss ich das selbst in Erfahrung bringen? Irgendwie bekomme ich es schon heraus. Vielleicht verrät es mir ja Ihr Freund, der Detective.«
Frieda lächelte und stand ebenfalls auf. »Wenn Sie das wirklich wollen«, antwortete sie, »dann sage ich es Ihnen. Aber rufen Sie vorher Carrie an, und lassen Sie sie wissen, wann Sie nach Hause kommen und dass mit Ihnen alles in Ordnung ist. Das Taxi geht auf mich.«
»Sie kommen mit?«
»Wenn Sie wollen.«
Karlsson saß vor Dean Reeve. Auf jede Frage, die er ihm stellte, folgte eine schnelle, knappe Antwort – Reeve schoss den Ball jedes Mal sofort zurück, und immer mit dem gleichen widerlichen Lächeln im Gesicht. Dabei ließ er seinen Gegner keine Sekunde aus den Augen. Er wusste, dass Karlsson wütend war und dass er sich zunehmend hilflos fühlte.
Gegenüber Yvette Long verhielt er sich genauso – nur dass er bei ihr den Blick immer wieder von ihrem Gesicht nach unten gleiten ließ, was sie wider Willen zum Erröten brachte und sehr wütend machte.
»Er spielt mit uns!«, schimpfte sie, als sie sich hinterher mit ihrem Chef beriet.
»Lassen Sie sich nicht von ihm provozieren. Sonst gewinnt er.«
»Er hat doch schon gewonnen.«
»Fühlen Sie sich dem wirklich gewachsen?«, fragte Frieda.
Alan stand neben
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