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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N French
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Taxifahrer, der daraufhin seitlich ranfuhr. Alan stieg aus. Er ließ die Tür offen, aber Frieda folgte ihm nicht.

    »Wollen Sie denn nicht mit hineinkommen?«, fragte er. »Ich weiß gar nicht, wie ich ihr das beibringen soll.«
    »Carrie?«
    »Es wäre mir sehr lieb, wenn Sie mir helfen könnten, ihr das alles begreiflich zu machen.«
    »Aber, Alan …«
    »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sich das anfühlt. Was ich heute alles erfahren habe. Was mir alles passiert ist. Ich kann das bestimmt nicht richtig erzählen. Sie wird total schockiert sein.«
    »Wieso glauben Sie, dass meine Anwesenheit da hilfreich sein könnte?«
    »Aus Ihrem Mund klingt es – ich weiß auch nicht – professioneller oder so. Sie können ihr erzählen, was Sie mir erzählt haben. Dann wirkt es nicht ganz so … beängstigend. Sie wissen schon.«
    »Fahren Sie nun weiter, oder steigen Sie aus?«, mischte der Taxifahrer sich ein.
    Frieda zögerte. Sie sah Alans angsterfülltes Gesicht, und sie sah die Schneeflocken durch das Licht der Straßenlampe wirbeln und auf seinem grauen Haar landen. Dann musste sie plötzlich an Karlsson denken, der auf dem Polizeirevier auf sie wartete und vor lauter Frust vermutlich schon knurrte. »Sie brauchen mich nicht«, sagte sie zu Alan. »Sie brauchen Carrie. Geben Sie ihr die Chance, Sie zu verstehen. Sie können morgen um elf zu mir kommen, dann reden wir darüber.« Frieda wandte sich an den Taxifahrer. »Können Sie mich bitte zurück zum Polizeirevier fahren?«

37
    F rieda war davon ausgegangen, dass sich der Trubel inzwischen gelegt hatte und sie in ein dunkles, fast menschenleeres Polizeirevier zurückkehren würde, aber dem war ganz und gar nicht so. Als sie es betrat, schlug ihr erneut Lärm entgegen. Metallstühle wurden scharrend zurückgeschoben, Türen geöffnet und wieder geschlossen. Telefone klingelten, irgendwo im Haus schrie jemand vor Wut oder Angst, und draußen auf dem Gang hörte man immer wieder eilige Schritte. Frieda ging durch den Kopf, dass auf einem Polizeirevier während der Weihnachtszeit wahrscheinlich besonders viel Betrieb herrschte, weil die Betrunkenen um diese Zeit noch betrunkener und die Einsamen noch einsamer waren. Die Traurigen und die Verrückten fanden ihr Los noch unerträglicher als sonst, und die ganze Qual und Scheußlichkeit des Lebens kam an die Oberfläche. Jeden Moment konnte jemand mit einem Messer in der Brust oder einer Nadel im Arm zur Tür hereintaumeln oder eine Frau mit einem blau geschlagenen Gesicht auf die Theke am Eingang zuschwanken und erklären, er habe ihr nicht wehtun wollen.
    »Nichts Neues?«, wandte sie sich an Karlsson, der sie im Eingangsbereich in Empfang nahm. Wobei sich die Frage eigentlich erübrigte, weil ihm die Antwort ins Gesicht geschrieben stand.
    »Uns läuft die Zeit davon«, erklärte er. »Am Ende muss ich die beiden wieder laufen lassen. Dann haben sie gewonnen. Kein Matthew Faraday, keine Kathy Ripon.«
    »Was erwarten Sie sich von mir?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht könnten Sie mit ihnen reden. Ist das nicht Ihr Beruf?«

    »Ich bin keine Hexe. Ich habe auch keinen Zauberspruch auf Lager, der sie zum Reden bringt.«
    »Schade.«
    »Ich spreche trotzdem mit ihnen. Wird das eine offizielle Sache?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Werden Sie dabei sein? Wollen Sie die Gespräche aufzeichnen?«
    »Wie hätten Sie es denn gern?«
    »Am liebsten würde ich alleine mit ihnen reden.«
     
    Dean Reeve sah überhaupt nicht müde aus, ganz im Gegenteil. Er wirkte viel frischer als bei ihrer ersten Begegnung, fast als zöge er aus der Situation so viel Kraft, dass er sich inzwischen unangreifbar fühlte. Während Frieda sich einen Stuhl zurechtrückte, ging ihr durch den Kopf, dass er das Ganze richtig zu genießen schien. Er lächelte sie an.
    »Jetzt sollen also Sie mit mir reden. Das ist nett. Eine hübsche Frau.«
    »Ich soll nicht reden«, widersprach sie, »sondern zuhören.«
    »Was wollen Sie denn hören? Vielleicht das hier?«
    Er begann mit dem Zeigefinger auf die Tischplatte zu klopfen. Auf seinem Gesicht lag immer noch die Andeutung eines liebenswürdigen Lächelns.
    »Sie sind also ein Zwilling«, begann Frieda.
    Tap, tap-tap, tap.
    »Noch dazu ein eineiiger Zwilling. Wie fühlt sich das denn an?«
    Tap, tap-tap, tap.
    »Sie haben es nicht gewusst, oder?«
    Tap, tap-tap, tap.
    »Ihre Mutter hat es Ihnen nie gesagt. Was ist das für ein Gefühl, wenn man plötzlich erfährt, dass man nicht einzigartig ist?

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