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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N French
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unter einer Eisenbahnbrücke. Eine angemietete Garage. Gab es sonst noch einen Ort, wo Sie hin sind, wenn Sie mal von zu Hause wegwollten?«
    »Als Kind bin ich manchmal in einen Jugendklub gegangen, so eine Art Hütte am Rand einer Wohnsiedlung. Da haben wir immer Tischtennis gespielt. Ich war darin nie besonders gut.«
    Frieda überlegte einen Moment. Ihr war klar, dass das alles viel zu sehr an der Oberfläche blieb und sie auf diese Weise nicht weiterkam. Bis vor ein paar Wochen hatte Alan nicht gewusst, dass er ein Zwilling war. Nun wusste er es. Die Quelle war kontaminiert, wie Seth Boundy gesagt hätte. Er war nicht mehr unbefangen, sondern spielte für sie eine Rolle. Vielleicht musste sie ihn ein bisschen austricksen.
    »Ich möchte, dass Sie sich etwas vorstellen«, sagte sie. »Wir haben ja gerade davon gesprochen, dass man gelegentlich einen Ort braucht, wo man hinkann, wenn man zu Hause mal rausmöchte. Wohin man sich zurückziehen kann. Eine Art Zuflucht.
Ich möchte, dass Sie sich jetzt etwas vorstellen, zum Beispiel, dass Sie doch ein Geheimnis hätten. Sie hätten etwas, das niemand sehen dürfte und das Sie zu Hause nirgendwo verbergen könnten. Wo würden Sie es verstecken? Denken Sie nicht rational darüber nach. Lassen Sie Ihr Herz entscheiden oder Ihren Bauch. Was fällt Ihnen da spontan ein?«
    Zunächst kam keine Reaktion. Alan schloss die Augen. Dann riss er sie plötzlich wieder auf und starrte Frieda mit einem gehetzten Ausdruck an. »Ich weiß, warum Sie das fragen. Es geht dabei gar nicht um mich, oder?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Sie spielen ein Spiel mit mir. Sie benutzen mich, um etwas über ihn herauszufinden.«
    Frieda schwieg.
    »Sie stellen mir diese Fragen nicht, weil Sie mir helfen wollen, meine Probleme zu lösen, sondern weil Sie sich davon irgendeinen Anhaltspunkt für die Suche nach dem kleinen Jungen erhoffen. Irgendetwas, womit Sie zur Polizei gehen können.«
    »Sie haben recht«, antwortete Frieda schließlich. »Das war wahrscheinlich nicht richtig von mir. Nein, es war definitiv falsch. Aber es hätte ja durchaus etwas Hilfreiches dabei herauskommen können. Deswegen dachte ich, wir sollten es zumindest versuchen.«
    »Wir?«, wiederholte Alan. »Was meinen Sie mit ›wir‹? Ich war der Meinung, ich käme zu Ihnen, um zu lernen, besser mit meinen Problemen umzugehen. Ich dachte, Sie stellen mir Fragen, um mich zu heilen. Sie kennen mich doch! Ich würde alles tun, um zur Rettung dieses Jungen beizutragen. Sie dürfen alle Ihre Experimente mit mir machen, damit habe ich kein Problem. Schließlich geht es um einen kleinen Jungen. Aber Sie hätten es mir sagen sollen. Sie hätten es mir verdammt noch mal sagen sollen!«
    »Das konnte ich nicht«, entgegnete Frieda. »Wenn ich es Ihnen gesagt hätte, dann hätte es nicht funktioniert – wobei es
natürlich auch so nicht funktioniert hat. Es war nur so eine Idee von mir, aus der Not geboren. Ich wollte einfach wissen, was Ihnen spontan dazu einfällt.«
    »Sie haben mich benutzt«, sagte Alan.
    »Ja, ich habe Sie benutzt.«
    »Damit die Polizei anfangen kann, in angemieteten Garagen und unter Eisenbahnbrücken nach ihm zu suchen.«
    »Ja.«
    »Wo sie ihn vermutlich ohnehin schon suchen.«
    »Ja, vermutlich.«
    Es folgte eine weitere Pause.
    »Ich glaube, damit hätte sich das erledigt«, sagte Alan.
    »Wir vereinbaren einen neuen Termin«, schlug Frieda vor, »einen richtigen.«
    »Darüber muss ich erst nachdenken.«
    Sie standen beide ziemlich verlegen auf. Wie zwei Menschen, die gerade festgestellt hatten, dass sie zufällig zur selben Zeit eine Party verlassen wollten.
    »Ich habe noch ein paar Weihnachtseinkäufe zu erledigen«, erklärte Alan. »Auf diese Weise kann ich die restliche Zeit wenigstens noch sinnvoll nutzen. Von hier aus ist es ja nicht weit bis zur Oxford Street, oder?«
    »Zu Fuß brauchen Sie etwa zehn Minuten.«
    »Gut.«
    Frieda begleitete Alan zur Tür und hielt sie ihm auf. Im Gehen wandte er sich noch einmal um. »Ich habe meine Familie gefunden«, meinte er, »aber es ist keine besonders beglückende Familienzusammenführung.«
    »Was haben Sie sich davon erwartet?«
    »Und schon bricht wieder die Therapeutin durch.« Alan bedachte sie mit einem kleinen Lächeln. »Ich habe darüber nachgedacht. Im Grunde habe ich mir wohl gewünscht, was man manchmal in Filmen sieht oder in Büchern liest: wenn die Leute ans Grab ihrer Eltern und Großeltern gehen, um mit ihnen zu
reden oder einfach nur an

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