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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N French
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»ich muss dir etwas sagen, bevor du es von jemand anderem erfährst. Mach dich auf eine heftige Überraschung gefasst.« Sie holte tief Luft und legte ihre Hand auf seine.
     
    Tanner schenkte Whisky in zwei Gläser. Karlsson sah, dass seine mit Leberflecken übersäten Hände zitterten. Die Hände eines alten Mannes. »Ich wollte es Ihnen persönlich mitteilen«, erklärte er, »bevor die Zeitungen es bringen.«
    Tanner reichte ihm eines der Gläser.
    »Frohe Weihnachten!«, sagte Karlsson.
    Tanner schüttelte den Kopf. »Bei uns wird es dieses Jahr kein so frohes Weihnachtsfest. Sonst hat das immer alles meine Frau gemacht. Ich werde mich zu ihr ins Schlafzimmer setzen, und wir werden ein bisschen fernsehen.« Er hob das Glas. »Auf Ihren Erfolg!«
    »Es war nur ein halber Erfolg«, entgegnete Karlsson. »Eine junge Frau ist immer noch vermisst und wird wohl nie wieder auftauchen.«
    »Das tut mir leid.«
    »Die Presse wird das weniger schlimm finden. Es handelt sich ja nur um eine Erwachsene. Ich weiß schon genau, wie die Schlagzeile lauten wird: ›Das schönste aller Weihnachtsgeschenke‹. Es ist bereits eine Pressekonferenz anberaumt. Ich hätte Sie gerne dabei.«
    »Das ist Ihr großer Moment«, erwiderte Tanner. »Den haben Sie sich verdient. Immerhin haben Sie zwei vermisste Kinder
lebend wiedergefunden. Einen solchen Erfolg können die meisten Polizisten in ihrem ganzen Leben nicht aufweisen. Wie, zum Teufel, haben Sie das bloß geschafft?«
    »Das ist ein bisschen schwierig zu erklären.« Karlsson hielt einen Moment inne, als hätte er es selbst noch nicht ganz begriffen. »Eines Tages hat sich so eine Art Psychiaterin bei mir gemeldet, bei der Reeves Bruder in Behandlung war. Er hat ihr erzählt, was ihm alles im Kopf herumspukte. Seine Träume. Da haben bei ihr irgendwie die Alarmglocken geschrillt. Auf irgendeine Weise.«
    Tanner kniff die Augen zusammen, als hätte er den Verdacht, von seinem Gast zum Narren gehalten zu werden. »Seine Träume«, wiederholte er. »Und das wollen Sie auf der Pressekonferenz sagen?«
    Karlsson nahm einen Schluck von seinem Whisky und behielt ihn einen Moment im Mund. Erst als sein Gaumen und seine Zunge richtig schön brannten, schluckte er ihn hinunter. »Mein Chef war von diesem Aspekt der Ermittlungen nicht gerade begeistert«, erklärte er. »Ich glaube, auf der Pressekonferenz konzentriere ich mich lieber auf die effektive Arbeitsweise meines Teams, die gute Zusammenarbeit mit anderen Stellen, die breite Unterstützung durch Öffentlichkeit und Medien sowie die Lehre, die wir daraus ziehen können: dass wir alle stets wachsam bleiben sollten. Sie wissen schon. Das Übliche.«
    »Und die Psychiaterin? Was sagt die denn dazu?«
    Karlsson verzog den Mund zu einem kleinen Lächeln. »Die ist eine ziemlich harte Nuss«, erklärte er. »Sie weiß genau, was sie will. Aber auf den Medienrummel ist sie nicht scharf.«
    »Sie meinen, auf die Lorbeeren.«
    »Wenn Sie so wollen.«
    Tanner deutete auf die Whiskyflasche.
    »Ich glaube, ich sollte langsam wieder aufbrechen.«
    »Eins noch«, sagte Tanner. »Warum ist Joanna nicht weggelaufen?«

    »Wovor?«, entgegnete Karlsson. »Sie kannte doch nichts anderes. Es war ihr Zuhause. Ich befürchte fast, in gewisser Weise wird es das auch bleiben. Eigentlich sollten wir uns alle über ihre Rückkehr freuen, aber ich bin mir nicht so sicher, ob wir sie wirklich zurückhaben.«
    An der Tür war Tanner gerade im Begriff, noch etwas zu sagen, das wie ›danke‹ klang, als ihn ein lautes Klopfen von oben innehalten ließ. »Sie hat einen Stock«, erklärte er, »und sie benutzt ihn wie eine von diesen Glocken, mit denen man nach einem Butler läutet.«
    Karlsson zog die Tür hinter sich zu.
     
    »In meinem Land nennen wir diese Kohlrouladen Golubsti «, verkündete Josef. »Zu Hause in der Ukraine. Und das hier ist eingelegter Fisch, den man eigentlich im Eis fangen sollte, aber weil ich zu wenig Zeit hatte, musste ich ihn kaufen.« Dabei sah er Frieda vorwurfsvoll an. »Außerdem habe ich noch drei Sorten Piroggen : mit Kartoffeln, mit Sauerkraut und mit Pflaumen.«
    »Das ist ja unglaublich!« Olivia machte einen ziemlich verkaterten, benebelten Eindruck. Sie trug ein lila Seidenkleid, das im Kerzenlicht schimmerte. Sie sah darin sehr sinnlich aus, wie ein Filmstar aus den Fünfzigern. Neben ihr saß Paz in einem extrem kurzen rosa Kleid und mit Schleifen im Haar, die bei jeder anderen Frau völlig lächerlich gewirkt hätten,

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