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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N French
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irgendwo lebte? Jack trat einen Schritt zurück und ließ den Blick nach oben schweifen. Über den Läden schienen sich tatsächlich Wohnungen zu befinden, und zwischen den Ladenfronten gab es etliche Hauseingänge. Bei einigen der Häuser waren die Türen mit Brettern zugenagelt und darüber hingen »Zu verkaufen«-Schilder. Aber er konnte ja wohl kaum aufs Geratewohl überall klingeln, um zu sehen, ob ihm irgendwo eine vollbusige Blondine aufmachte. Beim nächsten Laden handelte es sich um eine Wäscherei mit einem Sprung im Fenster. Alan hatte nichts von Wäsche erwähnt, andererseits aber auch nicht gesagt, dass die Frau mit leeren Händen unterwegs gewesen sei. Dankbar atmete Jack den warmen Dampf ein, der ihm entgegenschlug, als er die Tür öffnete. Im hinteren Teil des Raums war eine Frau gerade damit beschäftigt, ein paar Kleidungsstücke zusammenzulegen.
Als sie Jack bemerkte, trat sie auf ihn zu. Sie hatte schwarzes Haar und einen dunklen Leberfleck über der Lippe.
    »Haben Sie was zu waschen?«, fragte sie.
    »Eine Bekannte von mir war möglicherweise vor ein paar Tagen mal hier«, erklärte er, »eine Frau in einer orangeroten Jacke.«
    »Nie gesehen.«
    Jack ging durch den Kopf, dass er wegen des Leberflecks eigentlich etwas sagen sollte. Zunächst entschied er sich dagegen, überlegte es sich dann aber doch anders. »Ich bin übrigens Arzt. Diesen Leberfleck sollten Sie bei Gelegenheit anschauen lassen.«
    »Was?«
    Jack tippte auf eine Stelle über seinem Mund. »Am besten wäre es, ein Hautarzt würde mal einen Blick darauf werfen.«
    »Kümmern Sie sich gefälligst um Ihren eigenen Mist!«, fauchte die Frau.
    »Ja, klar, Entschuldigung«, stammelte Jack und trat den Rückzug an. Nebenan gab es ein altmodisches, leicht schmuddelig wirkendes Café. Er ging hinein. Der einzige andere Gast war ein zahnloser alter Mann, der in einer Ecke laut und vernehmlich seinen Tee schlürfte. Er betrachtete Jack mit wässrigen Augen. Jack schaute auf sein Handy: zwanzig nach eins. Nachdem er sich niedergelassen hatte, schlurfte eine Frau mit einer blauen Nylonschürze auf seinen Tisch zu. Obwohl der Boden nicht allzu sauber wirkte, trug sie Hausschuhe. Jack blickte zur Tafel hoch und bestellte gebratene Eier, Schinkenspeck, Würstchen, gegrillte Tomaten, Pommes und eine Tasse Tee.
    »Sonst noch was?«, fragte die Frau.
    »Ich suche eine Frau, eine Blondine mit einer knallig orangeroten Jacke und viel Modeschmuck. Kennen Sie sie?«
    »Was wollen Sie?« Die Frau sprach mit starkem Akzent.
    Sie musterte ihn misstrauisch.
    »Mich interessiert nur, ob sie schon mal hier war.«

    »Sie sagen, Sie wollen Sie hier treffen?«
    »Sie treffen?«
    »Nicht hier!«
    Nach einer ganzen Reihe weiterer derartiger Fragen und Antworten wusste Jack noch immer nicht, ob die Kellnerin die Frau kannte. Er war nicht mal sicher, ob sie seine Fragen überhaupt verstanden hatte. Als schließlich sein Essen gebracht wurde, überkam ihn ein ganz eigenartiges Gefühl von Freude. Eine solche Mahlzeit konnte er nur allein zu sich nehmen, an einem fremden Ort, wo ihn niemand kannte.
    Gerade tunkte er seine letzten Pommes in einen Rest Eidotter und überlegte, was er als Nächstes tun solle, als er sie plötzlich sah. Zumindest sah er eine langhaarige Blondine in einer orangeroten Jacke und engen schwarzen Leggings am Fenster vorbeistöckeln. Einen Moment saß er wie gebannt da. Litt er neuerdings an Halluzinationen, oder hatte er sie tatsächlich gerade gesehen? Und wenn ja, was sollte er jetzt tun? Er konnte sie nicht einfach ziehen lassen. Dies war das richtige Leben. Er musste sie ansprechen. Aber wie? Was sollte er bloß zu ihr sagen? Er sprang so ungestüm auf, dass ein wenig Tee auf die fettigen Überreste seines Essens schwappte, und durchwühlte seine Taschen nach Kleingeld. Vor lauter Eile warf er viel zu viele Münzen auf den Tisch. Ein paar sprangen davon und fielen zu Boden. Ohne auf die Rufe der Kellnerin zu achten, stürmte er hinaus. Er konnte die Frau noch sehen. Zwischen den Grau- und Brauntönen der anderen Passanten leuchtete ihre Jacke wie ein greller Farbfleck.
    Keuchend rannte er hinter ihr her. Obwohl sie so hohe Absätze trug, legte sie ein erstaunliches Tempo an den Tag und wackelte dabei auch noch mit den Hüften. Als er näher kam, bemerkte er, dass sie keine Strümpfe trug und geschwollene Füße hatte. Ihre Sandalen machten den Eindruck, als wären sie ihr eine Nummer zu klein. Sobald er sie eingeholt hatte, legte er

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