Blauer Montag
Ängste in Bezug auf Frauen trotz seines Alters und Berufs noch nicht abgelegt hatte. Er spürte die Schweißtropfen auf seiner Stirn. Seine Haut juckte, als würde seine Kleidung plötzlich kratzen.
»Sie haben ihn auf der Straße getroffen und geküsst. Ungefähr auf Höhe des Cafés und des Ladens mit der Eule im Fenster.«
»Soll das ein schlechter Witz sein?«
»Nein.«
»Wer schickt dich?«
»Nein, wirklich, Sie verstehen mich falsch – aber mein Freund, der Mann mit dem roten Haar, er war sehr überrascht, und deswegen wollte ich nachfragen …«
»Der Drecksack.«
»Wie bitte?«
»Dein Kumpel. Du hast seltsame Freunde, das muss ich schon sagen. Aber wenigstens zahlt er. Es macht ihm Spaß, Frauen zu bezahlen. Das gibt ihm das Recht, uns wie Dreck zu behandeln.«
»Alan?«
»Was?«
»Er heißt Alan.«
»Nein, so heißt er nicht.«
»Wie nennt er sich denn bei Ihnen?«
Heidi schenkte sich ein weiteres randvolles Glas Dubonnet ein und kippte es hinunter.
»Bitte.« Er zog das Geld aus seiner Hosentasche, nahm eine Zehnpfundnote und reichte ihr den Rest.
»Dean Reeve. Aber wenn du ihm sagst, dass du das von mir hast, werde ich dafür sorgen, dass du es bereust, das schwöre ich dir.«
»Ich sag es ihm nicht. Wissen Sie zufällig, wo er wohnt?«
»Ich hab ihn ein einziges Mal dort besucht, als seine Frau nicht da war.«
Jack durchwühlte seine Jackentasche und fand einen Stift und eine alte Quittung. Er reichte Heidi beides, woraufhin sie ihm auf der Rückseite der Rechnung die Adresse notierte.
»Was hat er angestellt?«
»Das weiß ich noch nicht so genau«, antwortete Jack.
Bevor er ging, drückte er ihr seinen letzten Zehnpfundschein in die Hand. Am liebsten hätte er sich bei ihr entschuldigt, auch wenn ihm selbst nicht so ganz klar war, wofür.
Er saß gegenüber einem kahlköpfigen Mann, der seinen Schnurrbart mit Pomade in Form gebracht hatte und eine Zeitschrift über Waffen las. Nachdem Jack bei Frieda angerufen und ihr berichtet hatte, dass Alans geheimnisvolle Frau tatsächlich existierte, hatte sie darauf bestanden, sofort bei ihm vorbeizukommen. Jack hatte schwach protestiert: Er wollte nicht, dass sie wusste, wo er wohnte. Mit Schrecken dachte er daran, wie es dort ausgesehen hatte, als er an diesem Morgen aus dem Haus gegangen war. Außerdem fragte er sich besorgt, welche seiner Mitbewohner da sein und was sie wohl zu Frieda sagen würden. Zu allem Überfluss blieb der Zug auch noch eine
Weile in einem Tunnel stehen – ein Personenunfall, verkündete der Lautsprecher. Als er schließlich seinen Schlüssel ins Schloss schob, sah er sie bereits die Straße entlangkommen. Obwohl es schon dunkel wurde und Frieda wegen der Kälte warm angezogen war, hätte er sie überall sofort erkannt – allein an der Art, wie sie ging, aufrecht und zielstrebig. Sie wusste genau, was sie wollte, dachte er, und empfand dabei ein plötzliches Hochgefühl, weil er erfolgreich gewesen war und etwas für sie in Erfahrung hatte bringen können.
Sie erreichte ihn, als er gerade die Tür aufschob. Die Diele war voller Schuhe, und auf dem Boden lagen stapelweise Werbesendungen herum. An der Wand lehnte ein Fahrrad, an dem sie sich mühsam vorbeiquetschen mussten. Von oben schallte laute Musik nach unten.
»Es könnte ein bisschen unordentlich sein«, erklärte er.
»Das macht nichts.«
»Ich weiß nicht, ob noch Milch da ist.«
»Ich brauche keine Milch.«
»Die Heizung funktioniert auch nicht so richtig.«
»Ich bin warm angezogen.«
»In der Küche ist geheizt.« Nachdem er jedoch einen Blick hineingeworfen hatte, zog er schnell den Kopf wieder zurück. »Ich glaube, im Wohnzimmer ist es doch gemütlicher«, meinte er. »Ich schalte den Heizlüfter an.«
»Das ist schon in Ordnung, Jack«, beruhigte ihn Frieda. »Ich möchte nur ganz genau hören, was passiert ist.«
»Es war unglaublich«, antwortete Jack.
Im Wohnzimmer sah es fast so schlimm aus wie in der Küche. Er betrachtete es durch Friedas Augen: Das Sofa war ein schreckliches Lederding, das ihnen die Eltern eines Mitbewohners zum Einzug geschenkt hatten. Entlang der einen Armlehne verlief ein breiter Riss, aus dem weiße Flusen quollen. Die Wände waren in einem hässlichen Grün gestrichen. Im ganzen Raum lagen verstreut Flaschen, Tassen, Teller und seltsame
Kleidungsstücke herum. Auf dem Fensterbrett standen ein paar vertrocknete Blumen. Seine Squashtasche lag offen vor ihnen – mit einem schmutzigen Shirt und einem
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