Blauer Montag
Regenjacke, Fahrradhandschuhe und eine Wollmütze mit Ohrenklappen, bibberte aber trotzdem vor Kälte. Die Oberfläche des Kanals war mit einer Art körnigem Schneematsch überzogen, der sich noch nicht ganz zu Eis verhärtet hatte. Jack ging den Treidelpfad entlang, bis zu seiner Rechten das Parktor auftauchte. Er warf einen Blick auf die Notizen, die er sich zu Alans Geschichte gemacht hatte. Ein Stück weiter vorne konnte er den Spielplatz sehen. Der Wind, der ihm ins Gesicht wehte, war so eisig, dass er nicht mal mehr spürte, ob seine Wangen kalt oder heiß waren. Nichtsdestotrotz standen am Spielplatz Kinderwagen, und er sah dick vermummte kleine Gestalten herumsausen. Auf dem Tennisplatz waren sogar zwei Leute in Jogginganzügen zugange. Jack blieb stehen und spähte durch den Zaun. Zwei grauhaarige alte Männer droschen den Ball flach und hart hin und her. Jack war beeindruckt. Einer der beiden stürmte vor zum Netz, doch der andere lobbte den Ball über ihn hinweg. Der ausgetrickste Spieler raste zurück. Der Ball landete gerade noch im Feld.
»Aus!«, rief der andere laut. »Pech für dich!«
Jack hatte das Gefühl, als würden ihm in den Handschuhen die Finger gefrieren. Während er den Tennisplatz hinter sich ließ, zog er die Rechte aus dem Handschuh und schob sie unter
sein Hemd, um sie an seiner Brust zu wärmen. Er bog nach links auf den Hauptweg ein. Rechter Hand entdeckte er den Bowlingplatz und kurze Zeit später auch den Musikpavillon und den Brunnen. Er blickte sich um. Hier war kaum jemand unterwegs. Lediglich ein paar Leute mit Hunden. Ein ganzes Stück weiter vorne machte er an der Parkseite eine Gruppe von Jugendlichen aus, die herumalberten und sich gegenseitig schubsten. Ansonsten trieb sich bei diesem Wetter kein vernünftiger Mensch draußen herum. Jack versuchte sich vorzustellen, wie Alan Dekker hier durch den Park marschiert war, um einen klaren Kopf zu kriegen. Falls das überhaupt den Tatsachen entsprach. Nun, da Jack selbst hier war, gelangte er allmählich zu der Überzeugung, dass Alan sehr wohl die Wahrheit gesagt hatte, oder zumindest eine Version davon. Die Einzelheiten über den Kanal, den Spielplatz und den Musikpavillon waren zu präzise. Warum hätte er sich die Mühe machen sollen, derart ins Detail zu gehen, wenn alles nur ein Traum war? Während Jack der heftige Nordwind um die Ohren pfiff, hatte er das Gefühl, ebenfalls einen klareren Kopf zu bekommen. In letzter Zeit hatte ihn die Aussicht, Therapeut zu werden, immer weniger befriedigt. War es wirklich so wichtig, des Langen und Breiten über jede Kleinigkeit zu sprechen? Führte dieses ganze Gerede nicht letztendlich dazu, dass man sich selbst zu sehr in die Probleme des Patienten verstrickte, während man ihm doch eigentlich helfen sollte, besser damit umzugehen? Vielleicht war das ein weiterer Grund, warum er sich bereit erklärt hatte, für Frieda Detektiv zu spielen. Es tat gut, sich in die Welt hinauszubegeben und zu überprüfen, ob Alan die Wahrheit gesagt hatte oder nicht. Wobei es andererseits fraglich war, ob es ihm überhaupt gelingen würde, irgendetwas in Erfahrung zu bringen.
Jack kam an der südlichen Ecke des Parks heraus, überquerte die Straße und schlenderte an den Läden entlang. Alles war genau so, wie Alan es beschrieben hatte. Als er die Eisenwarenhandlung
erreichte, ging er sogar hinein. Es handelte sich um die Art Laden, von der er gedacht hatte, sie wäre längst ausgestorben. Es schien dort buchstäblich alles zu geben, was er für das Haus, das er sich mit ein paar Leuten teilte, längst hätte kaufen sollen, auch wenn er irgendwie nie dazugekommen war: metallene Spülschüsseln, Trittleitern, Schraubenzieher, Taschenlampen. Vielleicht sollte er demnächst mit dem Wagen eines Freundes hier vorbeifahren und eine Ladung von dem Zeug erstehen. Nach ein paar weiteren Schritten stand er vor dem Trödelladen mit der ausgestopften Eule im Fenster. Sie wirkte schmuddelig und verlor Federn. Während Jack sie betrachtete, schien sie mit ihren großen Glasaugen zurückzustarren. Jack versuchte sich vorzustellen, wie es wohl war, wenn man eine Eule schoss und dann ausstopfte. Er konnte kein Preisetikett entdecken. Wahrscheinlich stand sie gar nicht zum Verkauf.
Suchend blickte er sich um. Hier war Alan der Frau begegnet, falls das überhaupt stimmte. Er hatte behauptet, die Straße sei menschenleer gewesen, und dann sei plötzlich die Frau auf ihn zugekommen. Konnte es sein, dass sie hier
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