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Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift

Titel: Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt , luebbe digital
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erstaunt, dass sie plötzlich Marlenes Partei ergriff. Aber Tom war schon immer ein Pfennigfuchser gewesen. Mit einer Frau wie Marlene würde er da wahrscheinlich umdenken müssen. Oder lag es daran, dass sie automatisch immer gegen ihn war, wie er seit Jahrzehnten behauptete? Er ging nicht weiter auf ihren Einwand ein, sondern sprang plötzlich auf.
    »Komm mal mit, Pia!«
    Sie folgte ihm zögernd in das kleine Gästebad neben der Wohnungstür. Wütend riss Tom die Türen des Spiegelschrankes auf und deutete hinein. »Dann schau mal hier ... und hier ... was sagst du dazu?«
    Die schmalen Glasborde waren bestückt wie die Regale in einer Parfümerie. Unten standen die Fläschchen mit Nagellack. Eine teure Sorte, dafür aber in allen Farbschattierungen von durchsichtig Rosa über verschiedene Rot- und Brauntöne bis hin zu Dunkellila. Darüber eine ähnliche Batterie Lippenstifte, bestimmt 30 Stück, die Hüllen schwarz glänzend oder goldfarben. Im obersten Regal standen Fläschchen und Flakons verschiedenster Form und Farbe, ein paar Marken kannte Pia, die meisten nicht. Eine Parfümsammlung.
    »Wozu braucht sie das alles?«, staunte Pia.
    »Gar nicht! Weißt du, was so etwas kostet? Jeder dieser Stifte, jedes Fläschchen hat gut und gern 20 bis 30 Euro gekostet. Die Parfüms natürlich noch viel mehr. Aber das hier ist erst ein kleiner Vorgeschmack. In unserem Badezimmer warst du ja noch gar nicht. Wusstest du, was man für Hautcreme so ausgeben kann oder dass es Augenbrauenpuder gibt?«
    »Nein. Und ich glaube, es reicht jetzt auch ...«
    »Unsinn. Du wolltest es wissen, nicht wahr, Pia. Du hast gefragt, also bekommst du eine Antwort. Unter Geschwistern, nicht wahr ...« Er grinste freudlos und zog sie am Handgelenk mit sich ins Schlafzimmer. Wütend schleuderte er die Spiegeltüren der durchgehenden Schrankfront zur Seite, sodass die Elemente in den Führungen klapperten.
    »Ich habe nur diesen einen Meter hier, der Rest ist für Marlenes Sachen!«
    Er strich mit dem Handrücken über die Ärmel und Hosenbeine der dicht gedrängt hängenden Blazer und Hosen, dann zeigte er ihr die unzähligen T-Shirts und Pullover in den Regalfächern. Mäntel, Jacken, Abendkleider, alles! Mehr noch als die unzähligen Kleidungsstücke fesselte Pia das Verhalten ihres Bruders Tom. Auf seiner Stirn hatten sich Schweißperlen gebildet. Die Spucke in seinem Mundwinkel sah so aus, als hätte er Schaum vor dem Mund. Er höhnte: »Aber das ist erst die Spitze des Eisberges, du kennst ja noch nicht unseren Dachboden! Der ist auch voll mit Klamotten, und jeden Monat werden es ein paar Tüten mehr!«
    Pia fragte sich einen kurzen Moment lang, ob sie Tom festhalten und beruhigen könne, wenn er ausrastete. Er war kaum größer als sie, aber die Erfahrung hatte sie gelehrt, die körperlichen Kräfte eines Mannes nicht zu unterschätzen. Dieses blöde Y-Chromosom und dieses Testosteron, oder was es war, machten einen Unterschied, selbst wenn sie besser trainiert war als er. Sie versuchte, ihn mit Worten abzulenken, bevor ein Unglück geschah.
    »Tom, ich habe verstanden, was du mir sagen willst. Ich verstehe deinen Zorn. Aber das hier bringt doch nichts. Lass uns wieder ins Wohnzimmer gehen ...«
    Sie konnte Toms Gefühle tatsächlich nachvollziehen, was in ihrem bisherigen Leben selten genug vorgekommen war. Das Gesehene kam ihr krank vor. Was mochte Marlenes Motivation dafür sein, dass sie kaufte und kaufte, obwohl sie von all dem eigentlich nichts wirklich brauchte? Ging es ihr mehr um das Kaufen an sich, oder wollte sie all diese Dinge tatsächlich besitzen? Wie fühlte sich Marlene, wenn sie regelmäßig mit Taschen und Tüten beladen nach Hause kam?
    Wie lange hielt dieses Hochgefühl an, das sie verspüren mochte, wenn sie ihre Kreditkarte zum Bezahlen über den Ladentresen schob? Und, wichtiger noch, wie konnte sie sich dieses Verhalten auf Dauer leisten?

8. Kapitel
 
    A ls Pia ihren Bruder in der Adlerstraße verließ und nach Hause fuhr, war es zwanzig Minuten nach zehn. Um diese Zeit waren alle Anwohnerparkplätze in der Straße, die zu ihrem Wohngang führte, bereits belegt. In den Häusern links und rechts der Hartengrube waren die meisten Lichter erloschen. Es nieselte mal wieder, und die Dächer der abgestellten Autos glänzten im Licht der Straßenlaternen. Lückenlos.
    An der Obertrave, ein Stück in Richtung der Dankwartsbrücke, fand Pia endlich eine Parklücke, in die sie ihren kleinen Citroën quetschen konnte. Als

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