Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift
kaum, dass man sich unabsichtlich damit vergiftet.«
»Aber das Zeug wächst doch in vielen Gärten und Parkanlagen«, wandte Gerlach ein.
»Wir haben noch mehr zu berücksichtigen«, unterbrach Gabler, bevor Gerlach seinen Gedanken weiter ausführen konnte. »Die Segel der Jacht waren fachmännisch eingeholt, als die Rettungskräfte eintrafen, die Rettungsmittel unangetastet. Der Motor der Juvenile war in Betrieb, als sie mit der Fähre zusammentraf, der Tank aber so gut wie leer. Es kann also sein, dass die Jacht unbemannt, nur mit eingeschaltetem Autopiloten, von hier«, er deutete auf der Karte einen Radius an, innerhalb dessen Michaelis ins Wasser gefallen sein musste, »nach hier gekommen ist.« Nun zeigte er auf den Ort der Kollision, der exakt definiert war. »Wenn man die Wind- und Strömungsverhältnisse und Motoreinstellung berücksichtigt, hat das Schiff für die Entfernung ungefähr 18 bis 20 Stunden benötigt, sagen die Fachleute. Uns interessiert jetzt vor allem, ob sich noch jemand an Bord der Juvenile befunden hat, als Michaelis von Bord ging, und wie dieser jemand das Schiff verlassen konnte, bevor die Rettungskräfte eintrafen.«
»Es soll ein Schlauchboot an Bord gegeben haben mit einem Hilfsmotor«, meldete sich Broders zu Wort. »Wir haben mit einem jungen Mann aus Michaelis’ Crew gesprochen. Einer von denen, die laut Heidelinde Michaelis des Öfteren mit Michaelis auf der Juvenile gesegelt sind.«
»Das ist interessant. Zum Zeitpunkt der Kollision befand sich nämlich kein Schlauchboot an Bord der Jacht. Entweder es wurde schon früher entfernt, oder jemand hat es dazu benutzt, um die Juvenile zu verlassen. Vorzugsweise die Person oder Personen, die Michaelis’ Tod zu verantworten haben.«
»War das Schiff versichert?«, fragte Broders.
»Ja, auf 400 000 Euro. Eine hübsche Summe, aber das war das Schiff nach Meinung der Sachverständigen auch wert. Der Grundpreis der Comet beträgt allein 298 000 Euro, und mit der entsprechenden Ausstattung ... Aber es wurde angeblich kein Versuch unternommen, die Jacht zu versenken, obwohl das nicht besonders schwierig sein soll, habe ich mir sagen lassen. Wenn Michaelis dringend Geld gebraucht hätte, dann hätte er seine Jacht sicherlich besser verkaufen können, anstatt einen Versicherungsbetrug anzuzetteln.«
»Ein missglückter versuchter Diebstahl?«
»Bisher deutet nichts explizit darauf hin, aber möglich ist es natürlich.«
Alle ließen die Fakten und Zahlen erst einmal auf sich wirken. Dann meldete sich Conrad Wohlert nachdenklich zu Wort.
»Wenn wir davon ausgehen, dass sich Marlene Liebig zusammen mit Holger Michaelis in der Nacht von Freitag auf Samstag auf seinem Schiff befunden hat, dann könnten wir es mit einem Mord aus Eifersucht zu tun haben. Oder aber er drohte ihr, die Affäre zwischen ihnen publik zu machen? Vielleicht wollte er auch mit ihr Schluss machen? Und wenn Frau Liebig ihn tatsächlich vergiftet und anschließend ins Wasser gestoßen hat, dann könnte sie anschließend das Schiff per Autopilot auf Kurs gebracht haben. Ein Manöver, um Zeit zu gewinnen, und dann ist sie mit dem Schlauchboot von Bord gegangen? Sie konnte ja nicht damit rechnen, dass die Juvenile ausgerechnet dieser Fähre in die Quere kommen würde.«
»Und wenn es so war, wo ist Marlene Liebig jetzt?«
Das war genau die Frage, die auch Pia unentwegt durch den Kopf ging. Wo war Marlene jetzt? Hielt sie sich womöglich irgendwo versteckt, aus Angst vor den Konsequenzen einer von ihr begangenen Straftat?
»Vielleicht ist sie bei dem Versuch, das Schiff ungesehen zu verlassen, ebenfalls ertrunken?«, mutmaßte Broders.
»Aber wo ist ihre Leiche, warum wurde sie nicht ebenfalls angespült?«, fragte Gabler schneidend.
Alle blickten ratlos drein.
»Und wenn sich am Freitagabend noch eine dritte Person an Bord befunden hat?«, fragte Pia. Sie wusste, diese Frage führte unweigerlich auch zu ihrem Bruder Tom. Aber es war einfach naheliegend. Die vermuteten Motive von Michaelis und Marlene, sich gegenseitig umzubringen, erschienen ihr nicht sehr überzeugend. Eine dritte, bisher noch unbekannte Person, die sich zur Tatzeit an Bord der Jacht befunden hatte, war immerhin eine Möglichkeit.
»Ja, die dritte Person. Wer käme denn da überhaupt in Frage? Und wie ist sie an Bord gelangt? Etwa von Holger Michaelis und Marlene Liebig eingeladen worden? Zu was denn? Einem gemütlichen Törn zu dritt? Oder kam sie später an Bord, uneingeladen? Mit einem
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